Das Unternehmergespräch: Jonathan Gschwendner, der Mitinhaber der Tee Gschwendner GmbH : "Wir verkaufen Tee und Selbständigkeit"
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MECKENHEIM, 30. Januar Das Teegeschäft hat seine eigene Ästhetik. In einer bunt schillernden Reihe präsentiert Jonathan Gschwendner auf einer Verkostungstheke ausgesuchte Spezialitäten des Hauses. Zartes Gelb und Lindgrün japanischer ...
MECKENHEIM, 30. Januar Das Teegeschäft hat seine eigene Ästhetik. In einer bunt schillernden Reihe präsentiert Jonathan Gschwendner auf einer Verkostungstheke ausgesuchte Spezialitäten des Hauses. Zartes Gelb und Lindgrün japanischer Tees kontrastieren mit dem Orange von Darjeeling und einem tiefen Rotbraun, das manche Assamsorten in die Tasse bringen. Auf flachen Schalen steht der lose Tee zur Begutachtung bereit, davor warten Kännchen mit der Infusion, den aufgegossenen Teeblättern, auf die feine Nase des Tee-Verkosters. Gedämpftes Licht fällt durch ein großes Fenster. Doch das beschauliche Bild im Verkostungsraum der Meckenheimer Zentrale von Tee Gschwendner trügt. Wenn von März an die Pflücksaison in den Lieferländern beginnt, ist es mit der Wohlfühlatmosphäre vorbei. Drei- oder vierhundert Proben treffen dann wieder jeden Tag ein und müssen bewertet werden. Etwa ein Drittel davon schafft es nach der optischen Prüfung und einem ersten Geruchstest in die Verkostung. Für eine gemütliche Teezeremonie bleibt dann keine Zeit. Jonathan Gschwendner macht vor, wie es geht. Geräuschvoll schlürfend, damit der Tee seinen Geschmack besser entfaltet, nimmt er kleine Schlucke aus den henkellosen Porzellanschalen und bewegt sie kurz im Mund, bevor der Spuckbecher zum Einsatz kommt. "Wir bedienen uns aus dem besten Tee, der in der Welt produziert wird", sagt er. "Dabei immer wieder die richtige Auswahl zu treffen gelingt nur, wenn man Tee in den Adern hat." Die Begeisterung und die Begabung für das Produkt scheinen in der Familie zu liegen. Sein im vorigen Sommer verstorbener Vater Albert Gschwendner hatte das Unternehmen 1978 zusammen mit seiner Frau Gwendalina und seinem Bruder Karl gegründet und zu einem erfolgreichen Franchise-System weiterentwickelt. Heute ist Tee Gschwendner die größte deutsche Teehandelsgruppe mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent am Fachhandel. Nach seiner Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und "Tea Taster" war Jonathan Gschwendner früh in das Unternehmen eingestiegen. Trotzdem macht er kein Hehl daraus, dass er froh ist, die Verantwortung nach dem Tod des Vaters noch nicht allein tragen zu müssen. Zwei erfahrene Geschäftsführer stehen dem erst 27 Jahre alten Nachfolger im Unternehmen zur Seite: Karen Gajewski, die sich um die Franchise-Entwicklung kümmert, und Thomas Holz als oberster "Tea Taster" und Einkäufer. "Mein Vater war auch in dieser Hinsicht ein weitblickender Mensch und hat den Übergang vor seinem Tod vorausschauend geregelt", sagt Jonathan Gschwendner. In der Mittwochsrunde der Geschäftsführer und Prokuristen ist er jetzt alleiniger Vertreter der Familie. Zusammen mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Anna Geraldine halte er die "wesentlichen Gesellschafteranteile". Am Unternehmen beteiligt sind auch noch sein Onkel Karl Gschwendner und dessen Sohn sowie die Stiefgeschwister aus der zweiten Ehe des Vaters. Auch seine Schwester steht für die Nachfolge bereit; möglicherweise werden die beiden den Betrieb in Zukunft gemeinsam lenken. Derzeit führt sie das Stammgeschäft in der Bonner Innenstadt, wo die Erfolgsgeschichte des Unternehmens begann. Im vorigen Jahr sind wieder drei neue Standorte hinzugekommen - 125 Geschäfte zählt die Franchisegruppe jetzt in Deutschland. Die Zentrale in Meckenheim mit ihren rund 120 Mitarbeitern kümmert sich um das Marketing und die Schulung der Franchisepartner, beschafft den Tee, verarbeitet und packt ihn ab. Auch eigene Kreationen, etwa Kräuter- und Früchtetees, werden hier entwickelt. Mehr als 300 lose Teesorten sind im Sortiment. Hinzu kommen mehrere Dutzend Sorten in Kannen- und Glasportionen. Mit eigens entwickelten Maschinen werden diese Tees in Meckenheim in extragroße Beutel abgefüllt, die das Aroma der Blatttees besonders gut entfalten lassen. Ein eigenes Labor untersucht jede Charge vor dem Verkauf auf mögliche Rückstände. "Biologisch angebauter Tee ist stark im Kommen, auch Spezialitäten aus Japan und Südkorea finden zunehmend ihre Liebhaber", berichtet Gschwendner, der die Ähnlichkeit mit seinem Vater nicht verleugnen kann. Eine Herzenssache ist es für ihn, dessen Engagement für einen fairen Handel und eine umweltschonende Produktionsweise fortzusetzen. Einer der Schwerpunkte ist ein Projekt in Nepal, wo das Unternehmen zusammen mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) Kleinbauern bei der Umstellung auf eine biodynamische Wirtschaftsweise unterstützt. "Im Vergleich zu traditionellen Erzeugergebieten in Indien hinkt Nepal noch zurück. Aber die Bedingungen sind hervorragend, so dass wir exzellente Qualitäten bekommen", sagt er. Die meisten Partnergeschäfte machen etwa 80 Prozent ihres Umsatzes mit Tee. Der Rest entfällt auf Teegeschirr, Gebäck, Filter und Zubehör. Den Einkauf dieser Waren überlässt das Unternehmen den einzelnen Geschäften. Der Gesamtumsatz ist im vorigen Jahr um rund 10 Prozent auf 80 Millionen Euro gestiegen, in erster Linie durch höhere Erlöse der bestehenden Standorte. Für dieses Jahr wird ein Wachstum von 4 Prozent angepeilt. Die Expansion der Gruppe stößt in Deutschland allmählich an ihre Grenzen. "Es gibt noch Potential, aber es wird immer schwieriger, geeignete und bezahlbare Standorte zu finden", sagt Gschwendner. Weiße Flecken gebe es vor allem noch im hohen Norden und in Bayern. "Bei etwa 150 Läden in Deutschland dürfte das Ende der Fahnenstange erreicht sein", ergänzt Geschäftsführerin Gajewski. "Wir verkaufen zwei Produkte: Tee und Selbständigkeit", beschreiben die beiden das Konzept. Dabei setzt das Unternehmen auch in Zukunft auf inhabergeführte Läden. Ein früherer Versuch, einzelnen Franchisenehmern mehrere Standorte zu überlassen, hatte nicht den erhofften Erfolg gezeigt. "Tee ist eben ein Premiumprodukt, das eine fachkundige, persönliche Kundenbeziehung erfordert. Unsere Erfahrungen zeigen, dass das am besten funktioniert, wenn der Inhaber selbst im Laden steht und die Kunden beraten kann", erläutert Gajewski. Sogar am Broadway in New York ist Tee Gschwendner inzwischen vertreten. "Deutschland bleibt der Hauptmarkt, aber das Wachstum wird in Zukunft stärker aus dem Ausland kommen", sagt der Familienunternehmer. Den Anfang hatten das Unternehmen schon vor 20 Jahren mit ersten Partnerläden in Luxemburg und der Schweiz gemacht. Inzwischen stehen auch Brasilien, Kuweit und Saudi-Arabien auf der Liste. In diesem Jahr sollen die Emirate dazukommen. Das Unternehmen schreibe auch außerhalb Deutschlands schwarze Zahlen. "Aber im Ausland lernen wir noch", sagt er und schenkt sich noch eine Tasse südindischen Golden Tippy Oothu ein. Helmut Bünder