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Peter Köpf: Wo ist Lieutenant Adkins? : Schönes neues Bautzen?

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Grenzstein der DDR zwischen Geisa (Thüringen) und Rasdorf (Hessen) Bild: dpa

Es gab Soldaten aus den Nato-Streitkräften, die in die DDR überliefen und dort um politisches Asyl baten; zehn Fälle aus den fünfziger Jahren schildert Peter Köpf plastisch.

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          Bis zum Mauerbau desertierten knapp 6000 Soldaten der DDR-Streitkräfte, die meisten von ihnen in die Bundesrepublik. Dieses Faktum ist bekannt und wissenschaftlich untersucht. Kaum bekannt ist dagegen, dass auch nicht wenige Soldaten aus Nato-Streitkräften in die DDR überliefen und dort um politisches Asyl baten. Diesem Phänomen spürt jetzt der Publizist Peter Köpf für die 1950er Jahre nach. Aus der dreistelligen Zahl der Überläufer hat er zehn Fälle ausgewählt und erzählt deren Geschichten unter Heranziehung von Quellen, vornehmlich Stasi-Akten.

          Die Motive für die Flucht waren so unterschiedlich wie die Personen. Einige wollten sich dem möglichen Kriegseinsatz in Korea oder Vietnam oder - als Schwarze - dem in den Vereinigten Staaten verbreiteten Rassismus entziehen. Andere hatten Eheprobleme oder Konflikte mit Vorgesetzten, auch die Furcht vor Sanktionen nach Straftaten löste bisweilen die Flucht aus, fast alle Deserteure erhofften sich in der DDR auch ein besseres Leben.

          Nach ihrer Festnahme erfolgte zunächst das Verhör durch sowjetische Behörden, danach wurden die Überläufer dem MfS zur „Filtration“ überstellt. Dabei sollten Informationen aus der bisherigen militärischen Tätigkeit sowie die Motivation für die Desertion ausgeforscht werden. Wo immer möglich wurde die Flucht in den DDR-Medien propagandistisch verwendet. Danach verbrachte man die zum Teil mit Familienangehörigen geflohenen Nato-Soldaten nach Bautzen. Dort sollten „die Freunde“ beruflich Fuß fassen und durch politische Schulung zu „Kämpfern für den Sozialismus“ weitergebildet werden.

          In und um die Stadt in der Oberlausitz lebten Mitte der fünfziger Jahre zeitweise über 50 Ausländer, permanent - aber mit mäßigem Erfolg - von der Stasi überwacht. Oft gingen deren Erwartungen nicht in Erfüllung, nur knapp die Hälfte ließ sich integrieren. Viele waren beruflich unzufrieden, hatten als verkrachte Existenzen Beziehungs- oder Alkoholprobleme, auch Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung blieben nicht aus. Einige wurden straffällig und zu Haftstrafen verurteilt. Einzelne Deserteure sahen nur im Suizid den Ausweg.

          Peter Köpf leuchtet mit seinem gut recherchierten und aus der doppelten Perspektive von Überläufern und dem Ministerium für Staatssicherheit spannend geschriebenen Sachbuch ein bisher dunkles Kapitel des Kalten Krieges aus.

          Peter Köpf: Wo ist Lieutenant Adkins? Das Schicksal desertierter NATO-Soldaten in der DDR. Ch.Links Verlag, Berlin 2013. 224 S., 19,90 €.

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