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Peter Beinhart: Die amerikanischen Juden und Israel : Totengräber der Demokratie

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Präsident Barack Obama und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am 21.09.2011 in New York. Bild: Abb. aus dem bespr. Band

Der Politikprofessor Peter Beinhart schlägt vor, die Westbank als „Undemokratisches Israel“ zu bezeichnen. Diese Bezeichnung verrate, das es zwei Israel gebe: „Das eine ist eine fehlerhafte, aber echte Demokratie innerhalb der grünen Linie“ der Waffenstillstandslinie von 1949, „das andere eine undemokratische Ethnokratie östlich dieser Linie“.

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          Peter Beinart ist orthodoxer Jude, geboren 1971, Journalist und Professor für Politikwissenschaft an der City University in New York; seine Eltern sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus Südafrika in die Vereinigten Staten eingewandert. Gleich in der Einleitung seines Buches teilt er uns mit, dass er „ruhiger schläft in dem Wissen, dass es einen Staat für die Juden gibt“. Ein Video, das ihm ein israelischer Freund 2010 schickte, brachte ihn um den Schlaf. Es zeigte eine Alltagsszene in der Westbank: ein Palästinenser, der Wasser gestohlen hatte, wurde von israelischen Polizisten verhaftet, in einen Gefangenentransporter geschleppt. Dann schwenkte die Kamera auf einen fünf Jahre alten Jungen, der verzweifelt versuchte, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen, und nach seinem Vater schrie. In der Vergangenheit hatte Beinart auf Berichte über das Leid der Palästinenser mit Rechtfertigungsversuchen reagiert.

          Dieses Video änderte alles. Ihm wurde klar, dass er und mit ihm die amerikanischen Juden helfen müssen, die Besatzung der Palästinensergebiete zu beenden, die seiner Meinung nach die Ideale der israelischen Staatsgründung entweiht. Dafür sollte dieses Buch dienen. Immer wieder zitiert Beinart diese Ideale, die im Mai 1948 formuliert worden waren. Die Staatsgründer hatten versprochen, Israel werde „all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen“ und „Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten“ anstreben. Bis zum Sechstagekrieg 1967 war Israel schwach; im Kampf gegen seine Gegner galt das Motto „Auge um Auge, Zahn um ein Gebiss“, wie es ein hoher israelischer Militär einmal formulierte. Der Sieg gegen die Araber relativierte das Trauma der Vernichtung Israels durch seine arabischen Nachbarn. Bis zu dem Punkt erzählt Beinart nichts Neues, stützt sich auf vorhandene Literatur, um dann zum eigentlichen Kern seines Buches zu kommen, nämlich zur „bedrückenden Aussicht“ für die amerikanischen Juden (ungefähr sechs Millionen), dass der jüdische Staat „noch zu unseren Lebzeiten sterben könnte“. Seiner Meinung nach ist es fünf vor zwölf: „Der Tag ist nicht fern.“ Und alles wegen der jüdischen Siedlungs- und Besatzungspolitik. Beinart äußert beißende Kritik an der Führung der amerikanischen Juden, die dies als moralisches Recht Israels betrachten, als sicherheitspolitische Notwendigkeit oder eine Last, deren sich Israel liebend gerne entledigen würde - was es jedoch nicht kann, weil die Palästinenser in Wirklichkeit keinen Staat wollen, der Seite an Seite mit Israel existiert.

          Was ist die Konsequenz? Kann es mit mehr als 300 000 Siedlern in der Westbank - und täglich werden es mehr - und 200 000 Juden in Ostjerusalem einen palästinensischen Staat geben? Wenn nicht - und die Westbank bleibt dauerhaft besetzt, ohne den Palästinensern umfassende Bürgerrechte zu geben -, wird Israel nach Meinung Beinarts „ein jüdischer Staat auf der Grundlage der Apartheid“. Hält Israel aber die demokratischen Zusagen seiner Gründer gegenüber allen Menschen in seinem Herrschaftsgebiet ein, „wird es als jüdischer Staat Selbstmord begehen“.

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