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Drohungen gegen CDU-Politikerin : Ein Problem mit der Szene

Katharina Reiche

Katharina Reiche Bild: dapd

Die CDU-Politikerin Katherina Reiche hat gesagt, dass die Zukunft in der Hand der Familien liegt. Dafür wurde sie massiv angefeindet. Dabei liegt sie eigentlich ganz auf Parteilinie.

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          Auch in dieser Woche war im Meinungsbecken hoher Wellengang zu verzeichnen. Wogen der Empörung bauten sich etwa über die Äußerungen der Brandenburger CDU-Politikerin Katherina Reiche auf: Axel Hochrein, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), forderte die Parteivorsitzenden Horst Seehofer (CSU) und Angela Merkel (CDU) dazu auf, die „homosexuellenfeindlichen Ausfälle in ihren Parteien mit einem Machtwort zu stoppen“. Seit Tagen liefen Unionspolitiker „Amok“ und polemisierten in „unerträglicher Weise“ und einer Sprache, „die wir sonst nur von Rechtspopulisten und Rechtsextremen kennen“.

          Reinhard Bingener
          Politischer Korrespondent für Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen mit Sitz in Hannover.

          Frau Reiche, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, kann die Aufregung Hochreins, der selbst 25 Jahre lang Mitglied der CSU war, nicht nachvollziehen. Früher, mutmaßt sie, hätten ihre Äußerungen vermutlich nicht einmal Eingang in den Lokalteil ihrer Heimatzeitung gefunden - „wegen Langeweile“. Zudem habe sie in ihrem Plädoyer gegen Pläne zur vollen rechtlichen Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften mit der Ehe in der „Bild“-Zeitung ausdrücklich hervorgehoben: „Gleichgeschlechtliche Partnerschaften dürfen nicht diskriminiert werden.“ Allerdings sei eine besondere Förderung der Ehe von Mann und Frau durch den Staat eben noch keine Diskriminierung.

          Die Angriffe der Homosexuellenverbände richten sich vor allem gegen diese beiden Sätze von Katherina Reiche: „Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Neben der Euro-Krise ist die demographische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands.“

          „Die NPD sucht ’ne Sekretärin“

          “Für sich genommen sind beide Sätze in Ordnung“, findet Alexander Vogt, der Vorsitzende des Bundesverbands der „Lesben und Schwulen in der Union“ (LSU). Vogt muss eine Weile darüber nachdenken, worin der inhaltliche Unterschied zwischen den Ansichten Frau Reiches und dem Grundsatzprogramm der CDU besteht. Eigentlich, sagt Vogt dann, hat sie sich „nicht unbedingt anders geäußert als das Parteiprogramm“. Dort heißt es: „Eine Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau als Kern der Familie lehnen wir jedoch ebenso ab wie ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare.“ Frau Reiches Äußerungen seien aber dennoch in höchstem Maße unangebracht: „Unser Land besteht nicht nur aus Kinderkriegen“, so seine Replik. Die deutlich härtere Erwiderung des LSVD auf Frau Reiche erklärt Vogt damit, dass der nun einmal schärfer agiere als der entsprechende Interessenverband in der CDU/CSU, in dem der LSVD-Funktionär Hochrein stellvertretender Vorsitzender war.

          Eine eher erklärende Haltung nimmt Vogt auch ein, wenn es um die Kommentare auf der Facebook-Seite von Frau Reiche geht. Es freue ihn, dass die Diskussion „in vollem Gange“ sei, auch wenn „da verbale Flachschüsse dabei sind“. Die Reaktion zeige eben, „was die Bevölkerung denkt“. Jener Teil der Bevölkerung, der sich auf Frau Reiches Facebook-Profil austobte, pflegte dort bis zu dessen Sperrung den Denkstil eines digitalen Lynchmobs: „Die NPD sucht noch ne Sekretärin“, schreibt einer. Ein anderer schwafelt von „Verbrennungsöfen“, welche die CDU-Politikerin wohl für Homosexuelle wünsche. Daneben gibt es noch weitaus weniger zitierfähige Einträge. Nach der Sperrung wütet die Menge nun auf der eigens eingerichteten Seite „Keine Zukunft mit Katherina Reiche“ weiter.

          Die CDU-Politikerin vermutet eine „gut vernetzte, sich radikalisierende Gruppe“ hinter der Aktion im Internet, die über andere Medien rasant und bisweilen nicht ohne zustimmenden Unterton weiterverbreitet wurde. Aus der Parteiführung beigesprungen ist ihr in dem Streit niemand. Von dort habe sie auch „keine Unterstützung erwartet“, denn die Debatte über das Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartnerschaften, die von 13 Unionsabgeordneten vor zwei Wochen angestoßen wurde, soll in der Fraktion erst noch geführt werden. Vielleicht hätten aber auch die Internetattacken einschüchternd gewirkt, vermutet Frau Reiche. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Günther Krings, der nach Kritik an Gesetzesplänen von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ebenfalls zur Zielscheibe von Angriffen wurde, will sich jedenfalls überhaupt nicht mehr zu dem Thema äußern. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn, einer der 13 Abgeordneten für die Ausweitung des Splittings, verbreitete hingegen über Twitter: „Lasse mich und mein Leben nicht indirekt als Bedrohung unseres Wohlstandes diffamieren. Da geht die Kollegin zu weit.“ Vielleicht müsse er sich „in der eigenen Community“ rechtfertigen, sagt Frau Reiche.

          Alexander Vogt meint, Frau Reiche sei „lange genug im Geschäft“, um zu wissen, dass man sich im Netz „auf einiges gefasst machen muss“. Gleichwohl wolle er zu mehr Sachlichkeit im Umgang mit seiner Parteikollegin aufrufen. Eine Viertelstunde später ruft er noch einmal an: Man solle bitte klarstellen, dass sich sein Aufruf an beide Seiten richte. Sonst bekäme er Probleme „in der Szene“.

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