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Politik im Datenzeitalter : Was die SPD verschläft

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Vorbild für große Wissenschaftsverlage: Serverfarm von Google Bild: dpa

Diese Wahl fand unter den Vorbeben der neuen industriellen Revolution statt. Wird die Sozialdemokratie begreifen, wofür sie gebraucht wird?

          7 Min.

          Max Frisch, der große eidgenössische Freund der alten Sozialdemokratie, erzählte oft die Geschichte des Rip van Winkle. Es ist die Geschichte eines Jägers, der unter einem Baum einschläft, und als er morgens wieder aufwacht, ist das Gewehr verrostet und in seinem Dorf kein Mensch mehr da, den er kennt, denn es sind in Wahrheit hundert Jahre vergangen. Wenn am Freitag der Konvent der Sozialdemokraten zusammentritt, sollte man sich einen Hochfrequenzhändler einladen oder, wenn der sich nicht finden lässt, einfach einen Handy-Händler vom Ku’damm. Beide könnten die zeitgenössische Version der Rip-van-Winkle-Geschichte erzählen. Sie könnten den Politikern zeigen, was in der heutigen Welt exponentieller Beschleunigung vier Jahre bedeuten.

          „Wer heute einen Aktienkurs auf seinem Computer liest“, sagte einst ein Kenner der Materie, „schaut in Wahrheit in einen Stern, der seit Jahrtausenden erloschen ist.“ Wer noch vor vier Jahren glauben mochte, der Durchbruch zur Lichtgeschwindigkeit sei auf Handels- oder Börsensysteme beschränkt – ein Vorgang, der vom Plan bis zur Verwirklichung auch nicht länger als ein halbes Jahrzehnt dauerte –, muss am Vorabend von Big Data erkennen, dass die Dynamiken nun im Begriff sind, die Welt des Sozialen, vor allem die Arbeitswelt, in einen neuen Beschleunigungsmodus zu versetzen.

          Wie der Reisende im D-Zug sucht man feste Bezugspunkte für die Geschwindigkeit und macht den Wandel an der Turbo-Evolution von digitalen Industriegiganten fest, die innerhalb weniger Jahre aus dem Nichts die Kommunikation des Planeten beherrschen. Aber selbst Google und Apple sind nur Start-ups im Vergleich zu der neuen sozialen Software, die gerade ins Gehäuse unserer Gesellschaften implementiert wird.

          Wir werden jetzt viel schneller zur Kasse gebeten

          Dass wir in einer neuen industriellen Revolution leben, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Merkwürdigerweise werden aber kaum Lehren aus dem neunzehnten Jahrhundert gezogen. Natürlich kann man eine Geschichte der Dampfmaschine erzählen, die von James Watt bis zur IAA reicht und nichts anderes ist als eine Geschichte menschlichen Erfindergeists. Man kann sie aber auch als Geschichte einer beispiellosen sozialen Revolution erzählen und sich fragen, ob wir Nachgeborenen das Ingenium in Gestalt des neuesten i-Phones bekommen, aber den sozialen Preis nicht werden zahlen müssen. Die Antwort lautet nicht nur, dass wir zahlen müssen, sondern vor allem, dass wir sehr viel schneller zur Kasse gebeten werden als unsere Vorfahren. Politik, die aus den Erfahrungen des neunzehnten Jahrhunderts gelernt hat, hat die Aufgabe, diesen Preis abzuschätzen und auszuhandeln. Und genau hier kommt, nach dem vorläufigen Verschwinden des politischen Liberalismus, die SPD ins Spiel.

          Es ist merkwürdig, dass eine Partei, die ihre Geburt der ersten industriellen Revolution verdankt, die Dramatik der zweiten industriellen Revolution für eine Angelegenheit hält, für die man sich Zeit lassen kann. Die Effizienz- und Rationalisierungsprozesse der Dampfmaschine haben selbst im neunzehnten Jahrhundert keine fünfzig Jahre gebraucht, um die Gesellschaft zu revolutionieren. Wie wird das mit den Automatisierungsprozessen einer Gesellschaft sein, die eine Vision des neunzehnten Jahrhunderts erfüllt und tatsächlich die „Dampfmaschine des Denkens“ mit ihren Automatisierungseffekten auf der einen und Monopolbildungen auf der anderen Seite erschaffen hat?

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