Nordkorea : Der Pop ist Teil des Schreckens
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Präsident Kim Jong-un und NBA-Star Dennis Rodman bei einem Basketball-Freundschaftsspiel in Pjöngjang am 28. Februar dieses Jahres. Bild: Reuters
Populärkulturell schien der Antiamerikanismus in Pjöngjang out. Aber das ist durchaus keine Beruhigung: Warum sich Amerika nicht auf Kim Jong-uns Begeisterung für Basketball und Disney verlassen kann.
Vier Wochen bevor Kim Jong-un Amerika die elendige Vernichtung ankündigte, ließ er sich im Jong-Ju-Yong-Stadion von Pjöngjang dicht neben dem ehemaligen amerikanischen Basketball-Star Dennis Rodman beim gemeinsamen Anschauen eines Basketballspiels fotografieren, sich ausschüttend vor Lachen und im Überschwang des Vergnügens mit beiden Händen auf den Tisch vor sich trommelnd. Auch Rodman lacht, es ist das Bild zweier Männer in gelöstem Einvernehmen. Etwas seitwärts vor Rodman steht eine Coca-Cola-Dose. Auf anderen Fotos sieht man die beiden Männer einander ohne jede Förmlichkeit umarmen. Später brachte Rodman nach Amerika die Botschaft mit: „Kim Jong-un will keinen Krieg mit den Vereinigten Staaten, er möchte, dass Präsident Barack Obama ihn anruft.“
Schon im vergangenen Sommer hatte Kim eine Inszenierung amerikanischer Populärkultur vorgenommen. Das nordkoreanische Staatsfernsehen zeigte ihn als enthusiasmierten Zuschauer einer Tanzdarbietung, in der Mickymaus, Minnie-Maus und verschiedene Figuren der Disney-Version von Winnie the Pooh auftraten. Für die musikalische Begleitung sorgten die mit kurzen Röcken bekleideten Frauen der gerade gegründeten Moranbong-Band. Die staatliche Nachrichtenagentur gab bekannt, dass Kim die Band persönlich zusammengestellt und dass er „einen grandiosen Plan für eine dramatische Kehrtwendung auf dem Feld der Literatur und Künste in diesem Jahr“ habe.
Dramatische Kehrtwende
Von diesem Plan hat man später nichts mehr gehört, doch vor dem Hintergrund der bisherigen programmatischen kulturellen Abschottung des Landes war jedes einzelne dieser Zeichen tatsächlich ein erheblicher Bruch. Die Figuren der Disney-Comics hatten zwar auf dem nicht copyright-geschützten Weg über China längst Eingang in den nordkoreanischen Alltag gefunden, in Gestalt bedruckter Rucksäcke oder Schlafanzüge etwa. Aber auf der Ebene der offiziellen Signale spiegelte die hermetische Abgeschlossenheit der Kultur nach wie vor die politische Abgeschlossenheit und die behauptete ideologische Reinheit: Dass sich die Demokratische Republik Korea kein Haaresbreit auf die ästhetischen Verführungen der sie umgebenden Welt einließ, galt ihr als die notwendige Entsprechung zu ihrer maßlos martialischen Rhetorik auf militärischem Feld. In seiner paranoiden Logik gefiel sich Nordkorea als radikale Gegenwelt zu allem, was es sonst noch gibt, und aus diesem extremen Dualismus leitete es die Selbstermächtigung ab, sich an nichts gebunden zu fühlen, was unter Menschen und Staaten sonst als vernünftig gilt.
Das Neue ist nun also, dass eben dieser Dualismus, der sich in der Erklärung eines absoluten Vernichtungswillens entlädt, heute mit den kulturellen Zeichen des zu vernichtenden Feindes zusammengeht. Das macht die Sache allerdings nicht harmloser, im Gegenteil. Die völlige Entkoppelung der kriegerischen Drohungen von einer sie begründenden ideologischen, historischen und emotionalen Kontinuität lässt sie nur noch haltloser und unberechenbarer erscheinen, als sie es ohnehin schon sind. Deutlicher denn je sieht man, wie verfehlt es ist, die nordkoreanische Populärkultur, sei es die bunte Propaganda-Ästhetik alten Typs oder den neueren Disney-NBA-Stil, als etwas bloß Skurriles zu belächeln oder gar zu goutieren. Der Pop ist Teil des Schreckens.