: Der Mann der offenen Kassen
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Erneuerung sieht anders aus. Japans designierter Ministerpräsident Shinzo Abe will sein neues Kabinett zwar erst am Ersten Weihnachtstag vorstellen, doch die ...
Erneuerung sieht anders aus. Japans designierter Ministerpräsident Shinzo Abe will sein neues Kabinett zwar erst am Ersten Weihnachtstag vorstellen, doch die wichtigste Personalie wurde in Tokio schon bekannt. Taro Aso, der bis zu der verheerenden Wahlniederlage der konservativen Liberaldemokratischen Partei (LDP) 2009 für ein Jahr Regierungschef in Japan war, wird neuer Finanzminister der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt. Gleichzeitig wird er Stellvertreter Abes und damit der einflussreichste Politiker Japans nach dem Regierungschef. Wie Abe ist Aso Spross einer der japanischen Politikerdynastien, die bis in die Zeit zurückreichen, als Japan im Bündnis mit Hitlerdeutschland die Welt mit Krieg überzog. Wie Abe ist Aso bis heute ein überzeugter Nationalist. Vor allem aber ist Aso wie Abe ein Anhänger einer grenzenlosen geldpolitischen Lockerung und milliardenschwerer Konjunkturprogramme.
Obwohl Japan vor allem darunter leidet, dass wichtige Wirtschaftszweige wie die Landwirtschaft, die Gesundheitswirtschaft oder die Energiewirtschaft Strukturen aufweisen, die Wettbewerb und Wachstum behindern, weil sie alten Oligopolen ihre Zukunft sichern wollen, glaubt der designierte Finanzminister bis heute, Japans Schwierigkeiten ließen sich lösen, indem mit noch mehr Konjunkturprogrammen neue Infrastruktur gebaut wird.
Bundeskanzlerin Angela Merkel gehört zu denen, die sich besonders gut an Aso erinnern dürften. Aso war japanischer Regierungschef, als 2008 und 2009 die internationale Finanzkrise die Welt erschütterte. Der Mann, der 2009 kläglich scheiterte und abgewählt wurde, griff Merkel damals auf den Treffen der G 20 besonders heftig an. Deutschland und Frankreich wollten nach den ersten großen Konjunkturprogrammen erst einmal abwarten und sehen, wie die bereits beschlossenen Maßnahmen wirkten. Aso dagegen forderte: „Mehr, mehr . . .“ Es gebe Länder, „die die Bedeutung einer fiskalischen Mobilisierung verstehen und andere Länder, die das nicht verstehen“, griff er Merkel damals öffentlich an. Aso, der sich bisweilen mit der japanischen Sprache schwertut und deswegen Zielscheibe des Spotts war, beschied Merkel damals leicht von oben herab, dass Japan schließlich 15 Jahre Erfahrungen mit wirtschaftlichen Krisen habe, Deutschland erlebe eine solche Krise dagegen wohl zum ersten Mal. Dass die Geschichte gezeigt hat, dass Merkels Lösung offenkundig erfolgreicher war als Asos, ficht den selbstbewussten japanischen Spross einer Oberschichtfamilie nicht an. Er hält daran fest, dass allein aggressive Geldpolitik und schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme Japan aus der Krise führen können. Doch nicht nur, weil er mit dem designierten Ministerpräsidenten Abe in dieser Frage zu 100 Prozent übereinstimmt, wird Aso der zweite Mann der neuen LDP-Regierung werden.
Aso ist wichtig für Abe, weil der ohne ihn nicht zum Spitzenkandidaten bei der Parlamentswahl gekürt worden wäre. Abe und Aso sind beide Männer von gestern, beide sind Repräsentanten des alten korrupten LDP-Regimes, das Japan fast ein halbes Jahrhundert lang unangefochten regiert hat. Sie halten an ihrer alten, gescheiterten Finanzpolitik fest, weil sie ansonsten den Reformern in der LDP das Feld überlassen müssten, die nicht nur angebotsorientierte Reformen verlangen, sondern auch bestehende Machtstrukturen in Frage stellen.
Wie die neue Finanzpolitik Asos aussehen wird, zeichnet sich in Tokio bereits ab. Japanische Medien berichteten ausführlich darüber, dass Abe und Aso im Haushalt 2013 die Ausgabengrenzen streichen wollen, die die scheidende Regierung der Demokratischen Partei unter Ministerpräsident Yoshihiko Noda setzen wollte. Weil Japan - das bereits mit mehr als dem Doppelten seiner Wirtschaftsleistung verschuldet ist - seinen Haushalt seit Jahren nur noch zur Hälfte über Steuereinnahmen finanziert, hatte Noda diese Grenze durchgesetzt. Asos Begeisterung für Konjunkturprogramme ließe sich damit aber nicht durchsetzen. Stattdessen plant der designierte Finanzminister noch für das laufende Haushaltsjahr - das am 31. März endet - Mehrausgaben von fast 100 Milliarden Euro.
Trotz einer Neuverschuldung, die jetzt bereits jedes Jahr annähernd 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt, wird Aso möglicherweise im Herbst auch die bereits beschlossene Erhöhung der Konsumsteuern von derzeit 5 auf 10 Prozent im Jahr 2015 wieder rückgängig machen. Im Herbst kommenden Jahres, so sieht es das Gesetz vor, müsse die Regierung darüber entscheiden. Schon mit der Steuererhöhung kann Japan aber nach den Zahlen des Finanzministeriums seine Ziele, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, nicht erreichen. Dass Japan trotz seiner hohen Verschuldung bislang nicht in eine Finanzkrise gekommen ist, liegt daran, dass rund 90 Prozent der Staatsschuld von inländischen Investoren gehalten werden. Doch dieser Weg, warnen viele Ökonomen, funktioniert nicht mehr lange. Japan wird sich die Schulden schon bald vom Ausland finanzieren lassen müssen - und riskiert damit, zum Ort der nächsten internationalen Finanzkrise zu werden. Dazu schweigt der Finanzminister in spe allerdings.
CARSTEN GERMIS