Amazon-Gründer Jeff Bezos : Verleger muss man jagen wie Gazellen
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Ein Allesverschlinger: Jeff Bezos weiß, wie man sich Konkurrenten vom Hals hält Bild: AP
Wie man eine Geschäftsidee erbarmungslos durchsetzt: Der amerikanische Journalist Brad Stone porträtiert den Amazon-Gründer Jeff Bezos als einen Mann, der das Fürchten lehrt.
Dass Jeff Bezos mit seinem Onlinekaufhaus Amazon keine humanitären Ziele verfolgt, ist der deutschen Öffentlichkeit spätestens bekannt, seit die skandalösen Arbeitsbedingungen der Hersfelder Leiharbeiter ans Licht kamen. Überraschend ist höchstens noch, wie wenig Amazon versucht, seine gnadenlosen Geschäftspraktiken hinter einer menschenfreundlichen Fassade zu tarnen. Wer „relentless.com“ in seinen Browser tippt, landet noch heute auf den Seiten des Versandgiganten. Bezos ließ sich diese „gnadenlose“ Adresse in den Gründerjahren sichern und sieht bis heute keinen Grund, sie zu verstecken.
Warum auch? Der Erfolg deckt die Wahl der Mittel. Und Bezos ist auf gutem Weg, aus seiner Idee, im Internet das größte Warenhaus der Welt zu errichten, die Idee der Welt als Warenhaus zu machen, 24 Stunden im Dauerbetrieb. Wenn sich seine Pläne erfüllen, wird bald ein Heer von Lieferwagen aus dem Amazon-Lager vor den Toren einer jeden großen Stadt rund um die Uhr jeden Konsumwunsch erfüllen. Nicht nur Buchhandlungen, auch Innenstädte müssen sich dann eine neue Bestimmung suchen.
Ein Unternehmen nach seinem Bild
Unter den Unternehmerbiographien aus dem amerikanischen IT-Westen wirkt die von Jeff Bezos eher spröde. Dass er Weltraumteile aus dem Ozean fischen oder in den texanischen Bergen eine gigantische Ewigkeitsuhr ins Felsmassiv schlagen ließ, um seinen Drang ins Grenzenlose zu illustrieren, gehört schon zu konventionellen Spleens des kalifornischen Frontier-Denkens. Bezos hat sich dem glanzlosen Auftrag verschrieben, das Internet am konsequentesten als Geschäftsidee auszuschöpfen, und er hat dabei ein Unternehmen aufgebaut, das bis in die unterste Ebene die Persönlichkeit seines Gründers reflektiert.
Besessenheit, Getriebenheit, Gnadenlosigkeit sind die zentralen Worte, mit denen die Biographie des amerikanischen Journalisten Brad Stone dieses Denken beschreibt. Weil Bezos mit Amazon ein Medium gefunden hat, diese Charakterwerte in alle Welt zu exportieren, ist Stones moralischer Ansatz keine blinde Dämonisierung. Etwa Bezos’ monströses Lachen. Stone nennt es einen „akustischen Stich ins Herz“. Bezos lacht allein. Für die Umstehenden ist es ein Zeichen, dass es gleich sehr ernst für sie werden könnte. Unbezweifelbar sind dagegen seine unternehmerischen Qualitäten. Stone bezeichnet ihn als einen unversiegbaren Quell von Ideen, der sein riesiges Unternehmen wie ein Schachgroßmeister im Blick hat.
Weniger einleuchtend ist der Versuch, diese Unrast nicht aus kulturellen Umständen, sondern dem Kaffeesatz der Kindheit herzuleiten. Bezos’ Mutter ist siebzehn, als er zur Welt kommt. Seinen leiblichen Vater, einen Einradartisten, lernt er nie kennen. Von seinem kubanischstämmigen Pflegevater wird er mit libertärem Denken geimpft. Für ein Verlusttrauma ist das zu wenig, zumal der kleine Jeff sich schon von frühester Kindheit an als hochbegabt und getrieben erweist. Mit sechs benotet er seine Lehrer, mit acht vermint er sein Elternhaus mit Dynamit, bis zum durch Zigarettenkonsum verkürzten Lebensalter seiner Oma rechnet er alles durch. Seine Schulfreunde nennen ihn in geradezu lachhafter Weise vom Wettbewerbsdenken bestimmt.