https://www.faz.net/einspruch/warum-eine-herabsetzung-der-strafmuendigkeit-keinen-sinn-macht-16586823.html

Einspruch exklusiv : Strafbarkeit schon mit 12 Jahren?

  • -Aktualisiert am

Außenansicht einer Arrestanstalt für jugendliche Täter, 27. Mai 2016. Bild: dpa

Die unter anderem von der CSU geforderte Absenkung der Strafmündigkeit ist aus guten Gründen ein kriminalpolitischer Ladenhüter. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht weit mehr dagegen als dafür.

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          Im Sommer 2019 wird in Mülheim eine 18-jährige junge Frau von drei 14- und zwei 12-jährigen Jungen aus Familien bulgarischer Herkunft vergewaltigt. Konservative wie der ehemalige Gewerkschaftschef Rainer Wendt und die CSU holten sogleich Ladenhüter unter populistischen kriminalpolitischen Forderungen hervor: Strafmündigkeit müsse mit 12 Jahren beginnen; und „Heranwachsende“ – zur Tatzeit 18- 21-Jährige – seien nicht nur ausnahmsweise sondern regelmäßig wie Erwachsene zu bestrafen. In Seeon machte sich Anfang Januar 2020 die CSU diese Forderungen prompt wieder zu eigen. Erste Rechtspolitiker der CDU zeigen sich offen dafür – das alles im Gegensatz zu anderen Parteien und nahezu allen Fachwissenschaftlern und -verbänden.

          Solche Abläufe sind bekannt und wohlfeil. So war es etwa 2010, als eine 83-jährige Rentnerin in München von zwei 13-Jährigen misshandelt worden war. In den vergangenen achtziger und neunziger Jahren gab es ähnliche Abfolgen von Verbrechen und Rufen nach Änderung des Jugendstrafrechts, zumal im Zusammenhang mit Wahlkämpfen. 2000 erwirkten unionsgeführte Länder sogar einen entsprechenden Bundesratsbeschluss; sie konnten indes den Bundestag dafür nicht gewinnen. 2006 nahm der ehemalige Justizsenator Roger Kusch einen neuen vergeblichen Anlauf. Er wollte gleich das ganze Jugendstrafrecht samt Jugendgerichtsbarkeit über Bord werfen. 2016 übernahm sogar ein Parteiprogramm – das Grundsatzprogramm der AfD – solche Forderungen: Die innere Sicherheit sei durch wachsende Kriminalität gefährdet, das Jugendstrafrecht jedoch zahnlos; nur sofortige Inhaftierung junger Täter schwerer Delikte könne helfen; die Strafmündigkeit müsse auf 12 Jahre abgesenkt werden, weil Kriminalität immer früher einsetze; volljährige „Heranwachsende“ seien strafrechtlich wie alle Erwachsenen zur Verantwortung zu ziehen.

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