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Einspruch exklusiv : Warum die Westbalkanregelung nicht verlängert werden sollte

  • -Aktualisiert am

Bundesarbeitsminister Peter Altmaier (CDU) spricht anlässlich des Inkrafttretens des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vor Auszubildenden, 28. Februar 2020 Bild: dpa

2015 wurde die Arbeitsmigration aus den Westbalkanländern auch ohne Qualifikationsnachweis ermöglicht. Nun muss die Politik entscheiden, ob sie die Regelung verlängert oder zum Jahresende auslaufen lässt. Ein Gastbeitrag.

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          Seit Corona ist gewiss alles anders – ehemals wichtige und im Zentrum innenpolitischer Auseinandersetzungen stehende Fragen sind angesichts des dramatischen Verlaufs der Krise verständlicherweise an den Rand gedrängt. Dies gilt auch für eine Frage aus dem Bereich der Erwerbsmigration, die vor der Pandemie auf der politischen Tagesordnung stand und quer durch die Parteien erhebliches Streitpotenzial mit sich brachte. Die Rede ist von dem im allgemeinen Sprachgebrauch als ‚Westbalkanregelung‘ bekannten § 26 Abs. 2 Beschäftigungsverordnung (BeschV) und damit einer Rechtsnorm, die im deutschen Erwerbsmigrationsrecht sowohl quantitativ als auch qualitativ besonders ist: Quantitativ mit Blick auf die Intensität der Nutzung – die Regelung hat sich binnen kurzer Zeit zu einem der wichtigsten Wege für Erwerbsmigranten nach Deutschland entwickelt; qualitativ hinsichtlich seiner (geringen) Voraussetzungen, denn im Gegensatz zu dem ansonsten sehr auf formale Bildungszertifikate ausgerichteten deutschen System der Erwerbsmigration verzichtet der § 26 Abs. 2 vollständig auf qualifikatorische Vorgaben.

          Ihren Ursprung hat die Regelung in der Flüchtlingskrise. Als Reaktion auf den starken Anstieg der Asylanträge aus dem Westbalkan trotz Schutzquoten im einstelligen Prozentbereich plante die Bundesregierung im Jahr 2015 eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer um die Westbalkanstaaten, die seinerzeit noch nicht über § 29a i.V.m. Anhang II AsylG erfasst waren (Albanien, Kosovo, Montenegro). Bosnien-Herzegowina, Serbien und die damals sogenannte ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien (heute: Nord-Mazedonien) waren bereits Ende 2014 in die Liste eingefügt worden. Ein Zugeständnis, um den Bundesrat und dabei vor allem die Landesregierungen, an denen Bündnis‘90/Die Grünen beteiligt waren, zur notwendigen (vgl. Art. 16a Abs. 2 S. 2 GG) Zustimmung der Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer zu bewegen, war die Schaffung neuer und von qualifikatorischen Vorgaben vollständig entkoppelter Möglichkeiten der Erwerbsmigration. Die Migration aus den Ländern des Westbalkans nach Deutschland sollte somit nicht generell reduziert, sondern aus dem Asyl in den Bereich der Erwerbsmigration umgelenkt werden – auch, um das zu dieser Zeit längt an Kapazitätsgrenzen gestoßene Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entlasten. Kurz gesagt handelt es sich bei der Westbalkanregelung um Erwerbsmigrationspolitik ohne erwerbsmigrationsspezifische Motivation. Die Regelung trat zum 28. Oktober 2015 in Kraft.

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