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Urteil : Mehr Wettbewerb durch Preisdeckel

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Die Hotelvermittlungsplattform Booking.com, darf Hoteliers verpflichten, auf ihren Internetseiten keine günstigeren Preise anzubieten als auf der Plattform selbst. Das hält das OLG Düsseldorf für zulässig.

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          STUTTGART, 25. Juni. Booking.com, der Branchenprimus unter den Hotelvermittlungsplattformen, darf Hoteliers verpflichten, auf ihren Internetseiten keine günstigeren Preise anzubieten als über Booking.com. Diese glasklare Wettbewerbsbeschränkung hält das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf für zulässig (Az.: VI - Kart 2/16 (V)). Die Düsseldorfer Richter argumentieren, dass eine solche Klausel notwendig ist, um eine illoyale Ausbeutung der Akquisebemühungen der Plattform zu vermeiden. Sie übertragen dazu die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2008, wonach ein Unternehmen Subunternehmern untersagen darf, seine Kunden abzuwerben, und kommen zu dem Schluss: Erst die Vermittlungsplattform macht potentielle Übernachtungsgäste durch ihr Gesamtangebot und ihre Markenbekanntheit auf bestimmte Hotels aufmerksam. Könnten die Gäste im Anschluss auf der Website des Hotels günstiger buchen, ginge Booking.com leer aus.

          Wer profitiert von der Entscheidung? Die Hotelgäste selbst werden es eher nicht sein, denn Hotels schlagen die Provisionen der Buchungsplattformen in der Regel auf die Übernachtungspreise auf. Booking.com profitiert, da die Hoteliers dem Portal keine Konkurrenz durch günstige Angebote auf ihren eigenen Homepages machen dürfen. Diesen Wettbewerbsvorteil hat Booking.com aber nur, solange nicht andere Plattformen ihre Chance nutzen: Liest man nämlich die Entscheidung des OLG Düsseldorf zusammen mit einem früheren Urteil in der Sache hrs.de (Az.: VI - Kart. 1/14 (V)), zeigt sich, dass Plattformen den Hoteliers nicht verbieten dürfen, auf anderen Plattformen günstigere Angebote anzubieten. Die Wettbewerber von Booking.com werden daher die langfristigen Nutznießer der jüngsten Rechtsprechung sein. Sie können Hoteliers durch geringere Provisionen reizen, auf ihnen noch günstiger anzubieten. Gerade in Branchen, in denen der Preis aus Kundensicht das einzige Entscheidungskriterium ausmacht, ist es naheliegend, dass Kunden die Angebote auf verschiedenen Plattformen vergleichen und auf der günstigsten Plattform buchen.

          Interessant wird dies vor allem, wenn man die OLG-Entscheidung auf andere Branchen überträgt. Grundsätzlich dürfte eine enge Bestpreisklausel auch für Amazon und andere Handelsplattformen zulässig sein. Auch hier könnte das Argument des OLG Düsseldorf gelten, wonach eine Bestpreisklausel notwendig sei. Anderenfalls wäre zu befürchten, dass Marketplace-Händler erst über Amazon auf sich aufmerksam machen und die Kunden im Anschluss auf ihren eigenen Online-Shop lenken, um dort als Trittbrettfahrer von Amazon Waren günstiger zu verkaufen. Wenn die Bestpreisklausel dies verhindert, ist jedoch auch hier anzunehmen, dass sich Marketplace-Händler langfristig auf eine bestimmte Alternativplattform umorientieren, auf der sie zu günstigeren Provisionen verkaufen können (und daran auch nicht gehindert werden dürfen).

          Generell zulässig werden Bestpreisklauseln aufgrund des OLG-Urteils nicht. Die Argumentation des Gerichts greift nur, wenn der Lieferant die Akquisebemühungen seines Vermittlers oder Händlers illoyal ausnutzen kann. Man stelle sich etwa vor, dass ein marktbeherrschender Lebensmitteleinzelhändler von seinem Kekslieferanten stets mindestens genauso günstige Preise fordert wie in dessen Online-Shop. Hier dürfte kaum nachweisbar sein, dass der Kunde beim Blick auf das Preisschild im Supermarkt zunächst einen Preisvergleich anstellt – und die Kekse dann direkt beim Hersteller ordert. Außerdem sind die Marktverhältnisse hier häufig umgekehrt: Der Kunde wird nicht erst durch den Supermarkt auf eine bestimmte Marke aufmerksam. Vielmehr nimmt der Supermarkt bekannte Marken ins Sortiment, um Kunden zu locken. Dass die Kunden dennoch häufig die günstigeren Eigenmarkenprodukte kaufen, könnte das Trittbrettfahrer-Argument sogar umkehren: Der Markenhersteller könnte vom Einzelhändler fordern, dass dieser seine Eigenmarken nicht günstiger verkauft als die entsprechenden Markenprodukte. Anderenfalls könnte der Einzelhändler mit Markenwerbung Kunden anziehen, um ihnen dann als Trittbrettfahrer des Markenherstellers seine günstigeren Eigenmarken zu verkaufen.

          Jochen Bernhard

          Der Autor ist Partner der Kanzlei Menold Bezler.

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