Hat sich Russland vom Völkerrecht verabschiedet?
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Die UN-Generalversammlung hat Russlands Angriffskrieg mit der großen Mehrheit von 141 Staaten am 02.03.2022 verurteilt Bild: Reuters
Der Blick in die Geschichte lehrt, dass die Prinzipien des universellen Völkerrechts von großer Beharrungskraft sind und sich langfristig als normativer Maßstab bewähren können.
Der russische Angriff auf die Ukraine ist ein eklatanter Verstoß gegen fundamentale Prinzipien der Nachkriegsordnung, allem voran gegen das in der UN-Charta verankerte Verbot zwischenstaatlicher Gewalt. Während das Völkerrecht dafür bekannt ist, notorisch unbestimmt zu sein und in vielen Fällen Raum für gegenteilige Auffassungen zu lassen, ist der Überfall auf die Ukraine eindeutig rechtswidrig. Außerhalb russischer Stellungnahmen werden keine rechtlichen Argumente für den russischen Krieg angeführt. Die UN-Generalversammlung hat Russland mit der großen Mehrheit von 141 Staaten verurteilt.
Hat sich Russland mit solch einem eklatanten Verstoß gegen die Fundamentalnorm der internationalen Ordnung dauerhaft aus dem Völkerrecht verabschiedet? Bemerkenswert ist zunächst, dass Russland in seinen jüngsten Verlautbarungen an vielen Punkten das Recht anführt. Präsident Wladimir Putin nimmt ausdrücklich Bezug auf das in der UN-Charta enthaltene Selbstverteidigungsrecht und behauptet, dass Russland den international nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk Nothilfe leiste. Außenminister Sergej Lawrow argumentiert mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und mit Resolutionen der UN-Generalversammlung. Sogar der Pflicht, Selbstverteidigungsmaßnahmen dem UN-Sicherheitsrat anzuzeigen, ist Russland nachgekommen. Insofern scheint hier zunächst ein im Völkerrecht üblicher Mechanismus am Werke, dass nämlich der Rechtsbrecher durch eine Anrufung des Völkerrechts dieses performativ anerkennt und damit letztlich stärkt.
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