Gendersprache: Vier Paragraphen berichten
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Deutsche Gesetzestexte genderneutral zu formulieren kann einige Schwierigkeiten bereiten. Bild: Picture Alliance
Stellen wir uns vor, all die Paragraphen in unseren Gesetzen hätten Gefühle und würden auf die Debatte um die Gendersprache reagieren. Was wären ihre Eindrücke, Bedenken und Sorgen? Begeben wir uns in die Räumlichkeiten ihrer Selbsthilfegruppe.
Der § 211 Abs. 1 StGB erzählt:
Hallo zusammen! Mein Name ist § 211 Abs. 1 StGB und ich laute: „Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“. Ich bin nicht gegendert.
Meine Probleme beginnen mit dem generischen Maskulinum und meiner selektiv-maskulinen Formulierung. Manch eine moderne Frau fühlt sich von den gängigen Ausdrücken nicht mehr angesprochen: Beispielsweise seien mit dem Wort „Bundeskanzler“ ausschließlich Männer gemeint. Frauen seien aus dem geistigen Bild der Betrachter ausradiert; weibliche Bundeskanzler habe es nicht gegeben und gebe es nicht. Angenommen, das stimmt: Kann ich überhaupt noch zur Verurteilung einer Frau herangezogen werden? Mein eindeutiger Wortlaut erfasst doch nur „Mörder“ und gerade keine „Mörderin“. Wie ihr wisst, haben meine StGB-Kollegen und ich einen strengen Oberaufseher in der Etage über uns: Art. 103 Abs. 2 GG. Er befiehlt uns ein striktes Bestimmtheitsgebot. Als Strafnormen müssen wir daher so abgefasst sein, dass unser Anwendungsbereich für die Normadressaten erkennbar ist; Analogien sind nicht zulässig.
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