Affront für Anwälte
- -Aktualisiert am
Bild: dpa
Der unlängst präsentierte Entwurf zum Unternehmensstrafrecht betrifft auch die Rechtsanwälte. Das Bild, welches die Verfasser von dem Berufsstand zu haben scheinen, ist erschreckend.
Die Diskussionen um den mit einiger Spannung erwarteten und dieser Tage vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität werden auch in den kommenden Tagen und Wochen um die Frage kreisen, ob das Kernanliegen des Entwurfs richtig und sinnvoll ist, eine strafrechtliche Verantwortung von Verbänden zu schaffen. Dabei wird das mit Vernunftgründen nicht zu widerlegende Argument gegen eine solche Verantwortlichkeit, dass Verbände nicht handeln, sondern nur Menschen, wahrscheinlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Denn in der Praxis gibt es ein „Unternehmensstrafrecht“ auch in Deutschland schon längst. Dass es sich dabei im strengen Sinn um Ordnungswidrigkeitenrecht handelt ist insoweit in gleicher Weise irrelevant wie es sich bei der im Entwurf gewählten Bezeichnung „Verbandssanktionengesetz“ um einen Etikettenschwindel handelt.
Nicht aus dem Blick geraten darf angesichts dieser Großfragen aber, dass der Entwurf im eher „Kleingedruckten“ einen Vorschlag enthält, der trotz seines harmlosen Daherkommens ganz gravierende Folgen für die Praxis nicht nur des Unternehmensstrafrechts haben wird. Danach sollen Aufzeichnungen und Unterlagen im Gewahrsam bestimmter Berufsgeheimnisträger – etwa Rechtsanwälte, Ärzte oder Psychotherapeuten – in Zukunft beschlagnahmt werden dürfen, es sein denn, der betroffene Mandant oder Patient ist Beschuldigter in einem Strafverfahren. Diese Änderung beutet in der Praxis, dass Rechtsanwälte und Ärzte zwar weiterhin zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und ohne Befreiung von dieser als Zeugen keine Angaben machen müssen, ihre Unterlagen und Dokumente aber grundsätzlich ohne jede Beschränkung beschlagnahmt werden können. Damit muss jeder Bürger, der in Zukunft einen Anwalt oder Arzt aufsucht damit rechnen, dass die ihn betreffenden Aufzeichnungen sichergestellt werden. Eine solche einer Schriftkultur Hohn sprechende Regelung ist anderen Rechtsordnungen fremd, die – wie etwa die Schweiz – einen Gleichklang von Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmefreiheit vorsehen.
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