Einspruch exklusiv : Wann ist es Zeit zu wechseln?
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Ausschnitt aus der Serie Ally McBeal mit Calista Flockhart und Courtney Thorne-Smith Bild: interTOPICS/mptv
Für viele Jura-Absolventen ist es eine klare Sache: Ein paar Jahre in einer Großkanzlei, und dann den Sprung in ein Inhouse-Team schaffen. Aber wann ist der beste Zeitpunkt?
Soll ich mich frühzeitig bewerben, oder lieber noch den nächsten Karriereschritt abwarten? Das Secondment in New York mitnehmen? Das große Mandat erfolgreich zu Ende bringen? Wie immer in Karrieredingen gibt es auch auf die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für einen Wechsel keine allgemeingültige Antwort. Ein paar Eckpunkte für die persönliche Orientierung lassen sich aber durchaus aufzeigen.
Schnellere Wechsel als früher
Generell hat sich der Zeitpunkt für den Wechsel nach vorne verschoben. Vor 15 Jahren kam der Wechsel frühestens nach vier bis fünf Jahren Berufserfahrung in Betracht, heute sind es eher drei Jahre – im Einzelfall auch mal zwei Jahre.
Ein Grund dafür liegt bei den jungen Juristinnen und Juristen selbst. Die Ansprüche an Berufsleben und Karriere haben sich gewandelt. Wer Work-Life-Balance in seine Überlegungen einbezieht, der wird versuchen, die oftmals harten Anfangsjahre in der Kanzlei möglichst zu verkürzen. Damit einher geht auch ein gestärktes Selbstbewusstsein. Die jungen Kollegen wissen, was sie gelernt, und was sie zu bieten haben – sie kennen ihren Marktwert.
Aus Sicht der Inhouse-Abteilungen hingegen hat sich weniger geändert. Am liebsten sind den Unternehmen Associates mit rund drei bis fünf Jahren Berufserfahrung. Sie sind dann gut ausgebildet und können auch in einer kleineren Rechtsabteilung eigenständig und verantwortungsvoll arbeiten. Als Faustregel gilt: Je größer die Rechtsabteilung, desto eher werden auch jüngere Kandidaten in Betracht gezogen. Was der Wechsler vielleicht noch nicht kann oder weiß, das wird ihm in einer großen Abteilung noch vermittelt. Eine Deutsche Bank mit mehreren hundert Juristen hat da andere Möglichkeiten als eine Auslandsbank mit nur einer Handvoll Berufsträgern.
Nicht den Moment verpassen
Viele Leiterinnen und Leiter von Rechtsabteilungen scheuen davor zurück, seniorige Kandidaten an Bord zu nehmen, also Kollegen mit mehr als sechs bis sieben Jahren Kanzlei-Erfahrung. Man hat Angst, dass sie so stark in der Kanzlei sozialisiert wurden, dass sie sich weder dem Arbeitsstil noch der Kultur im Inhouse Legal Team werden anpassen können.
Auch unterschiedliche Gehaltsgefüge spielen eine Rolle. Während ein Wechsel nach drei bis vier Jahren in der Großkanzlei häufig nur einen moderaten Gehaltsrückschritt erfordert, geht die Schere mit zunehmender Seniorität stärker auf. Personalverantwortliche stellen ungern einen Kandidaten ein, der einen enormen Gehaltsschnitt akzeptiert, denn so jemand zieht unter Umständen schnell wieder weiter, wenn er ein besseres Angebot erhält.
Manche Associates zögern den Wechsel auch deshalb hinaus, weil sie mit einem direkten Sprung in eine Inhouse-Führungsrolle liebäugeln. Doch die Karrieren in Kanzlei und Unternehmen verlaufen nicht gleichförmig. Echte, also disziplinarische Führungserfahrung bekommt man in der Kanzlei eher spät, meist erst als Partner. Für die Besetzung einer Führungsrolle suchen Unternehmen aber genau solche Erfahrung.
Von einer Kanzlei zur anderen
Nicht nur der Schritt zum Mandanten, auch ein Wechsel zur Konkurrenz kann die Karriere befördern. Gilt es auch hier, einen idealen Zeitpunkt abzupassen?
Tatsächlich sind die Zeitrahmen hier deutlich flexibler. Das Problem der divergierenden Gehaltsgefüge entfällt unter Wettbewerbern weitgehend, und je nach Team und Situation können Kanzleien unterschiedliche Senioritäten benötigen.
Zumindest im Moment ist allerdings auch in vielen Großkanzleien das Senioritätslevel um drei bis vier Jahre sehr gefragt, weil vor allem Transaktionsteams hier Lücken aufweisen, nachdem sich eigene Mitarbeiter von der Kanzlei verabschiedet haben.
Doch auch später bleiben junge Anwälte für andere Kanzleien attraktiv. Je mehr Berufserfahrung man gesammelt hat, desto stärker rückt allerdings ein ganz anderes Thema in den Fokus: Die Frage nach dem Business Case, also dem transportablen Geschäft. Der Sprung in die Partnerschaft fällt außerdem leichter in einem Haus, in dem man zumindest schon zwei bis drei Jahre Zeit hatte, die verschiedenen Partner und Entscheider von sich zu überzeugen. Der Versuch „in die Partnerschaft zu wechseln“ ist in den vergangenen Jahren bei ebenbürtigen Häusern deutlich schwerer geworden. Eine Ausnahme gibt es: Bin ich in einem seltenen Rechtsgebiet tätig, das gerade sehr gefragt ist, und damit ein echtes „strategischer Hire“ – dann kann ich mit großer Flexibilität bei meinen potenziellen Arbeitgebern rechnen.
Empfehlung
Karriere ist nur bedingt planbar – es geht immer auch darum, Chancen zu erkennen und zu nutzen, wenn sie sich auftun. Wer unbedingt noch den Schritt zum Senior Associate oder ein Secondment mitnehmen will, der wird damit nicht unbedingt attraktiver für die Rechtsabteilungen.
Internationales Arbeiten stellt man auch schon durch die Tätigkeit in einer internationalen Kanzlei unter Beweis, und der Schritt zum Senior Associate bedeutet in der Inhouse-Struktur recht wenig – Rechtsabteilungen haben eine ganz andere Titelstruktur als Kanzleien. Zudem erfolgt der Schritt zum Senior Associate bei den verschiedenen Kanzleien zu unterschiedlichen Zeitpunkten und unter verschiedenen Voraussetzungen. Bei manchen Kanzleien steigt man quasi automatisch nach einer bestimmten Zeit auf, bei anderen muss man vordefinierte Fähigkeiten nachweisen. Für Rechtsabteilungen sind diese Schritte oft schwer nachvollziehbar und deshalb wenig relevant.
Ein wichtiges Argument hingegen ist das eigene Rechtsgebiet. Je spezialisierter ich bin, desto opportunistischer sollte ich auf den Markt reagieren. Inhouse-Rollen mit klarem Dispute-Schwerpunkt zum Beispiel gibt es nun einmal seltener als solche mit allgemeinem gesellschaftsrechtlichem Hintergrund. Ähnliches gilt für den Standort: Bin ich örtlich flexibel, so darf ich mir ruhig mehr Zeit lassen als ein Kandidat, den es unbedingt in eine bestimmte Region zieht, in denen es nicht viele Unternehmen oder Kanzleien gibt. Klopft eine von denen an, sollte man nicht zögern.
Kathrin von Hardenberg ist Gründerin und Geschäftsführerin von Indigo Headhunters und dort Leiterin der Practice Legal & Compliance.