Kein Vergleich
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Vzbv-Vorstand Klaus Müller bei einer Pressekonferenz über das Ergebnis der Vergleichsverhandlungen mit VW am 28. Februar 2020. Bild: dpa
Entgegen verbreiteter Meldungen haben VW und der vzbv keinen Vergleich im rechtlichen Sinn geschlossen. Weitere Musterfeststellungsklagen bleiben damit möglich – und die Verbraucher über manche Details im Dunklen.
Haben sich VW und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) im sogenannten Dieselskandal verglichen? Nach der ersten Presseerklärung konnte man davon ausgehen. Die veröffentlichte Einigung indes vermeidet das Wort „Vergleich“ peinlich genau und spricht stattdessen von „Rahmenvereinbarung“. Das ist kein Zufall. Denn VW und vzbv haben keinen Vergleich im Musterfeststellungsverfahren geschlossen. Dieser hätte nach § 611 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) einer gerichtlichen Genehmigung bedurft. Stattdessen haben sie sich auf einen außergerichtlichen Vergleich verständigt, der sich den zivilprozessualen Anforderungen entzieht. Interessant daran ist bereits, dass dieser Vergleich nach der Darstellung der Parteien auf Initiative des Präsidenten des Oberlandesgerichts Braunschweig zustande kam. Ein Gericht hat also paradoxerweise geholfen, einen außergerichtlichen Vergleich zu schließen, der die Anforderungen an einen gerichtlichen Vergleich gerade vermeidet.
Das unterläuft nicht nur das gesetzlich vorgesehene Modell, sondern bringt eine Reihe von Problemen mit sich. Das erste und wichtigste ist, dass der Streit damit nicht notwendiger Weise beendet wird. Nicht nur bleibt es den betroffenen Käufern frei, das ihnen jeweils individuell unterbreitete Vergleichsangebot abzulehnen. Vielmehr kann es in derselben Sache zu einer neuen Musterfeststellungsklage kommen. Denn nur ein gerichtlich genehmigter Vergleich wirkt für und gegen alle für das Verfahren angemeldeten Verbraucher. Die Rahmenvereinbarung hingegen verpflichtet nur den vzbv, keine neue Musterfeststellungsklage anzustrengen. Sobald der vzbv plangemäß die Klage zurückgenommen hat, steht es daher anderen Verbraucherverbänden frei, eine neue Musterfeststellungsklage gegen VW wegen derselben Fragen zu erheben. Diejenigen Käufer, welche das Angebot von VW nicht annehmen, können sich dann für eine derartige Klage erneut anmelden. Zeitlich ist das kein Problem, da die Verjährungshemmung erst sechs Monate nach der Klagerücknahme endet. Dass eine neue Klage kommt, ist zwar keineswegs ausgemacht, zumal angesichts der Corona-Krise. Aber das Risiko besteht.
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