Das Parlament als Polizeibehörde
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Die Kuppel des Reichstagsgebäudes am 26. Juli 2008. Bild: dpa
Angeblich verfrachtet die „Notbremse“ nur in Bundesrecht, was auf Landesebene so oder ähnlich oft ohnehin schon galt. Doch dieser Formwechsel ist für den Einzelnen und auch für die Demokratie bedrohlicher, als es zunächst scheinen mag. Ein Gastbeitrag.
Als zahlreiche Vertreter der Verfassungsrechtswissenschaft schon früh eine verstärkte Einbindung der Parlamente in die Bewältigung der gegenwärtigen Pandemie forderten, hatten sie sich, ziemlich blauäugig, in etwa Folgendes vorgestellt: Nach einer ersten Phase der Schockstarre im Angesicht einer bis dahin kaum für möglich gehaltenen Bedrohung hätte man nach und nach mehr über das Virus, seine Gefährlichkeit und seine Verbreitungswege gelernt, man hätte sich auf mögliche Wege seiner Bekämpfung besonnen, und man hätte eine ungefähre Vorstellung davon entwickelt, wie weit man um dieser Bekämpfung willen zu gehen bereit ist. Auf dieser Grundlage wäre im Parlament ein entsprechender Gesetzesentwurf eingebracht worden, man hätte dazu Sachverständige verschiedener Disziplinen gehört, im Bundestag wären die aufgeworfenen Fragen dann kontrovers diskutiert worden.
Und am Ende hätte man eine Regelung, die für die zuständigen Behörden transparente Maßstäbe ihres Handelns formuliert, die möglichen Eingriffe ihrer Art nach sowie in ihren Voraussetzungen näher bestimmt und zugleich die Begrenzungen einzieht, die um der Sicherung grundrechtlicher und rechtsstaatlicher Anforderungen willen geboten sind. So wären dann beide Vorteile zusammengekommen, die man parlamentarischen Verfahren zuschreibt, die Nutzung einer spezifischen Rationalität, die sich im sorgfältigen Wägen von Argument und Gegenargument entfaltet, und die Erzeugung einer besonderen demokratischen Legitimität, die zugleich die Einsicht in die Richtigkeit der getroffenen Entscheidungen erhöht.
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