Green Finance : Kapital als Katalysator gegen den Klimawandel
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Nachhaltigkeit und Green Finance werden für Unternehmen, Kapitalgeber und Investoren immer wichtiger. Dafür sorgen ein erhöhter gesellschaftlicher Druck und vor allem ein immer strengeres Regelwerk seitens der Politik. Wer auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell setzt, profitiert von besseren Finanzierungskonditionen.
Der Klimawandel ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Ein Kernziel ist es, die globale Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Weil der Abschied von klimaschädlichen Energieträgern oder die Umstellung auf emissionsarme Mobilität nur langsam vorankommen, setzt die Europäische Union (EU) einen Hebel an, der solche Prozesse beschleunigen soll: Gemeint ist Kapital, das rasch und gezielt in nachhaltige Investitionen gelenkt werden kann.
Der Finanzsektor hat beim Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft eine entscheidende Rolle, denn er soll nach dem Willen der EU-Kommission grüne Investitionen gezielt fördern. Dafür soll unter anderem ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen sowie eine transparente Kennzeichnung für nachhaltige Finanzprodukte (Green Finance) etabliert werden. Zudem soll das Thema künftig auch in den Rating- und Risikomanagementprozessen verankert werden.
Niedrigere Kosten durch Green Finance erwartet
Damit wird Green Finance ein bedeutendes Instrument im Finanzierungsbaukasten vieler Unternehmen werden. Wie wichtig das Thema heute schon ist, zeigt eine aktuelle Umfrage im Auftrag von F.A.Z. Business Media | research und der DZ BANK unter Finanzentscheidern im Mittelstand. Demnach rangieren nachhaltige Finanzierungsinstrumente bereits auf Platz zwei, wenn es darum geht, die Herausforderungen in der Unternehmensfinanzierung künftig zu meistern. Vier von fünf Befragten sind zudem der Ansicht, dass der Stellenwert nachhaltiger Finanzierungsinstrumente im Mittelstand in den kommenden drei Jahren steigen beziehungsweise stark steigen wird. Und zwei Drittel der Finanzentscheider glauben, dass Nachhaltigkeit zum wichtigen Kriterium für die Kostenkalkulation bei Finanzierungen über den Kapitalmarkt werden wird.
Grundsätzlich lässt sich der Markt für „Green Finance“ in zwei unterschiedliche Produktgruppen unterteilen: Zum einen gibt es Instrumente, bei denen die Mittelverwendung an konkrete nachhaltige Projekte und Geschäftszweige gebunden ist. „Zum anderen gibt es Finanzierungen, die übergeordnete unternehmensweite Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Bei diesen kann die Verwendung der Mittel völlig frei für alle Unternehmenszwecke eingesetzt werden“, erklärt Friedrich Luithlen, Abteilungsleiter Debt Capital Markets bei der DZ BANK.
Zu den Projektfinanzierungen aus der ersten Gruppe gehören Grüne Anleihen, Grüne Schuldscheine und Grüne Kredite. All diese Instrumente funktionieren nach dem gleichen Prinzip: Das Unternehmen gibt vorab bekannt, welche Projekte mit dem Erlös finanziert werden sollen. Diese Projekte müssen das Unternehmen nachhaltiger machen oder einen positiven Effekt auf die Umwelt haben – etwa die Finanzierung von Wind- oder Solarparkprojekten oder energetische Sanierungen, um CO2-Emissionen zu reduzieren.
Beispielsweise hat der Oldenburger Energie- und Telekommunikationskonzern EWE mit Unterstützung der Kapitalmarktexperten der DZ BANK Mitte 2021 einen Green Bond mit einem Volumen von 500 Millionen Euro platziert. Bei einer Laufzeit von sieben Jahren betrug der Zinscoupon günstige 0,25 Prozent. Konkret will EWE die Mittel in den Bereichen Stromverteilnetze, Glasfasernetze, Erneuerbare Energieerzeugung, Wasserstoffinfrastruktur, Stromspeicherung und Ladeinfrastruktur verwenden, um bis 2035 klimaneutral zu wirtschaften.
Zwar gibt es bisher keinen regulatorischen Rahmen für solche Transaktionen, aber es hat sich ein Marktstandard entwickelt. Unternehmen setzen häufig auf eine unabhängige Nachhaltigkeitsagentur, um sich im Rahmen einer Zweitmeinung bestätigen zu lassen, dass die ausgewählten Projekte auch wirklich nachhaltig sind. Ein Nachhaltigkeitsrating des Unternehmens ist jedoch nicht notwendig. „Neben positiven Reputations- und Imageeffekten bringen insbesondere Grüne Anleihen und Schuldscheine ihren Emittenten wegen der vergleichsweise hohen Investorennachfrage inzwischen auch konkret messbare finanzielle Vorteile“, berichtet Heinz-Theo Brockmann, Bereichsleiter Kapitalmarkt bei der DZ BANK.
Konditionen an die Nachhaltigkeitsperformance gekoppelt
Die zweite Produktgruppe sind die sogenannten ESG-linked Transaktionen, wobei die Abkürzung ESG für Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung) steht. Im Gegensatz zu den Projektfinanzierungen ist die Verwendung der Mittel bei ESG-linked Transaktionen völlig frei und kann für alle Unternehmenszwecke eingesetzt werden. Allerdings sind die Finanzierungskonditionen an die Nachhaltigkeitsperformance gekoppelt. Verbessert ein Unternehmen seine Leistung in den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung, sinken die Finanzierungskosten. Wird die Performance hingegen schlechter, verteuert sich die Finanzierung.
Am weitesten verbreitet ist diese Logik bei Konsortialkrediten. Inzwischen gibt es aber auch Anleihe- und Schuldscheinemissionen, bei denen die Konditionen an die eigene Nachhaltigkeitsleistung gekoppelt sind. Die Reederei Hapag-Lloyd und der Technologiekonzern Jenoptik haben in diesem Jahr unter Federführung der DZ BANK entsprechende ESG-linked Anleihen und Schuldscheine emittiert. „Wir sehen sehr deutlich, dass immer mehr Investoren ihr Geld nachhaltig anlegen wollen. Der Schuldschein war deutlich überzeichnet, und wir konnten viele Investoren gewinnen, die bei früheren Jenoptik-Schuldscheinen nicht mit an Bord waren“, berichtet Hans-Dieter Schumacher, CFO Jenoptik, gegenüber dem FINANCE-Magazin.
Doch wie misst man die eigene Nachhaltigkeitsleistung? „Unternehmen können die Finanzierung entweder an ein ESG-Rating, also an eine Bewertung einer spezialisierten Nachhaltigkeitsratingagentur, koppeln oder die Performance über individuell mit den Kreditgebern vereinbarte Kennzahlen messen“, erläutert Kapitalmarktexperte Friedrich Luithlen von der DZ BANK. In der Regel wird ein ganzheitlicher, branchenabhängiger Ansatz bei der Bewertung des Kreditnehmers herangezogen. Die Beurteilung der ökologischen Performance beispielsweise wird unter anderem am CO2-Fußabdruck oder an konkreten Energieeinsparzielen festgemacht. Soziale Kriterien etwa sind die Arbeitsbedingungen sowie die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden im Unternehmen. Auch die Diversität spielt eine zunehmend wichtige Rolle.
Die Unternehmensführung wiederum wird unter anderem anhand des Vergütungsmodells der Geschäftsführung sowie der Einhaltung von Mindeststandards in den Bereichen Korruptionsvermeidung und Compliance bewertet. Jenoptik zum Beispiel entschied sich bei seinem Green Schuldschein als Kriterien unter anderem für den Ökostrom-Anteil seines Energiebedarfs sowie für die sogenannte Diversity-Rate, also den Anteil internationaler Mitarbeiter und Frauen in Führungspositionen.
DZ BANK schafft Transparenz bei Emittenten
Die DZ BANK fördert die Transformation der Gesamtwirtschaft hin zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit durch diverse Aktivitäten im Rahmen ihres Nachhaltigkeitsmanagements, zu dem auch eine Nachhaltigkeitsbeurteilung von Emittenten wie Unternehmen und Staaten gehört. Die Informationen richten sich vor allem an Genossenschaftsbanken sowie an Investoren, die das Thema Nachhaltigkeit unmittelbar in ihre Anlageentscheidungen integrieren wollen. Die Bewertung baut dabei auf einer Analyse der ESG-Performance auf, die um eine ökonomische Perspektive erweitert wird und somit auch finanzielle, betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Kriterien berücksichtigt. Klassifiziert werden die untersuchten Emittenten in die Kategorien „nachhaltig“ und „nicht nachhaltig“.
Neben dem gesamten Aktien- und Anleiheuniversum von DZ BANK Research mit über 450 Emittenten sind in der Analysedatenbank des Nachhaltigkeitsresearchs etwa 5000 weitere Emittenten gelistet.
Lesen Sie mehr, wie die DZ BANK das Thema Nachhaltigkeit als genossenschaftliches Institut vorantreibt.