Klimawandel : Das Wetterjahr war extrem, 2016 wird noch wärmer
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Wer ist schuld, dass es keine weiße Weihnacht gab?
El Niño hält die Welt in Atem. Und das mutmaßlich weit ins Jahr 2016 hinein, denn der Höhepunkt der Anomalie könnte erst in den nächsten Wochen erreicht sein. Doch El Niño kann nicht für jedes Unwetter, speziell auf der Nordhalbkugel, verantwortlich sein, darin sind sich Meteorologen und Klimatologen einig. Was also ist mit den Serien von Tornados, die in den amerikanischen Bundesstaaten Mississippi, Tennessee und Arkansas normalerweise erst im Frühjahr kommen, doch nun schon kurz vor Weihnachten wüteten und Dutzende Menschenleben gekostet haben? Was hat dafür gesorgt, dass praktisch gleichzeitig ein Schneechaos jüngst in New Mexico ausgebrochen war?
Und schließlich: Könnte der extrem warme Dezember in Europa und der ebenso ungewöhnliche November, laut Deutschem Wetterdienst die beiden wärmsten Jahresabschlussmonate seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881, eine Fernwirkung El Niños sein – oder doch eher die Folge der globalen Erwärmung? Oder noch fataler: Wirken beide zusammen? Wen können die Betroffenen, allen voran die Wintertourismusbranche und die Landwirtschaft, also verantwortlich machen?
Im gestern veröffentlichten Bulletin des Deutschen Wetterdienstes zum „Deutschlandwetter im Jahr 2015“ liest man keine Silbe dazu – weder zu El Niño, noch zum Klimawandel. Die Meteorologie lässt sich da auf keine Spekulationen ein. Sie weiß: Ebenso schnell wie der aktuelle Hitzeorkan über dem Nordpolargebiet verschwinden wird, könnten sich die meteorologischen Verhältnisse ändern.
Die Daten-Sturmflut
Auf das zweitwärmste Jahr, als das 2015 in die deutschen Wetterannalen eingehen wird, könnte schon bald eines der kältesten folgen. Die latente und historisch belegte Unbestimmbarkeit der chaotischen Prozesse rund um den Globus ist ihre letzte Zuflucht. Mit gekonnter Wortakrobatik windet sie sich um die von der Öffentlichkeit oft geforderten Erklärungsversuche. Doch die Klimaforschung treibt sie vor sich her. Mit einer Flut an Daten und Studien versucht die Klimawissenschaft für mehr Klarheit zu sorgen – und auch nach dem Erfolg des Pariser Klimagipfels – geballten politischen Druck zu erzeugen.
Die „International Cryosphere Climate Initiative“ etwa, ein Forschungsverbund von Arktis und Antarktisforschern weltweit, hat erst vor wenigen Tagen einen neuen, alarmierenden Bericht vorgelegt. Behandelt werden die Risiken, irreversible und möglicherweise unbeherrschbarer Folgen der Klimaerwärmung für die Nord- und Südpolargebiete sowie die alpinen Gletscher im Inland. Ihr Fazit: „Das Fenster schließt sich.“ Die Eisschmelzen rund um den Planeten laufen derzeit mit einer unnatürlichen Geschwindigkeit ab, der Klimawandel als die treibende Kraft hinter den Veränderungen sei unabweisbar.
Nach warm kommt wärmer
Geht es klimapolitisch so zäh weiter wie die Jahre davor, verschwinden am Ende unwiederbringlich die Gletscher in den Bergen weltweit und das Westantarktische Eisschild schon in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts – was den Meeresspiegel allein schon um vier bis zehn Meter anwachsen lassen würde. Grundwasserreservoire weltweit für an die zwei Milliarden Menschen, die von dem Schmelzwasser aus den Bergen angewiesen sind, könnten wie die von einer schon vierjährigen Dürre betroffenen Kalifornier darunter leiden.
Für viele sind das nicht viel mehr als Drohszenarien, gewagte Extrapolationen und unsichere Vorhersagen. Doch sie sind über kurz oder lang überprüfbar, und das umso leichter, je schneller sich der derzeitige Wandel vollzieht. Eine dieser nachprüfbaren wissenschaftlichen Prognosen lautet: 2015 wird als das weltweit wärmste Jahr der Geschichte schnell abgelöst – 2016 soll noch wärmer und ungemütlicher werden.