Wirklichkeit richtig simuliert? : Die Kunst modellhafter Welterkenntnis
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Vielfach modelliert: Im Sternbild Orion am Winterhimmel der Nordhalbkugel entstehen außergewöhnlich viele neue Sterne. Südlich von Altnitak, einem der drei Gürtelsterne Orions, findet sich im linken unteren Teil des Bildes findet sich der Pferdekopfnebel, der dem starken Strahlungsfeld des massereichen Sternsystems Sigma Orionis ausgesetzt ist. Bild: Martin Mutti
Klima, Weltraum, Leben, Medizin: Immer öfter kommen Modelle und Simulationen ins Spiel. Wird ihnen zu Recht vertraut? Eine philosophische Perspektive.
Das Patenkind wünscht sich zum Fest ein Raumschiffmodell, meteorologische Modelle informieren uns über die Wahrscheinlichkeit weißer Weihnachten, während sich die vorweihnachtliche Aufregung der Teilchenphysiker eher auf Anzeichen des Higgs richtet, des letzten noch fehlenden Teilchens des teilchenphysikalischen Standardmodells. Wir sind tagtäglich umgeben von Modellen.
Aus unserem Alltag bereits kaum wegzudenken, sind Modelle insbesondere in den Wissenschaften eines der wichtigsten methodischen Werkzeuge geworden. Ein Großteil wissenschaftlicher Praxis widmet sich der Entwicklung, Testung und Anwendung geeigneter Modelle. Aber was sind eigentlich Modelle? Wie funktionieren sie und inwiefern sind wir in der Lage, durch sie etwas über die Welt zu lernen?
Vom Modell lernen
Die Grundfigur ist einfach: Modelle stehen für etwas anderes, sie repräsentieren etwas Bestimmtes in der Welt. Diese Eigenschaft besitzen sie allerdings nicht exklusiv, auch Kunstwerke oder Sprache können Repräsentationen von Sachverhalten sein. Verglichen mit Kunst oder Sprache, scheinen wissenschaftliche Modelle aber einen anderen Wahrheitsanspruch zu besitzen. Sie sollen dazu dienen, dass man durch ihr Studium etwas über die tatsächlichen Eigenschaften dessen lernt, wofür sie stehen. Und anders als in Kunst oder Sprache sollte dies unabhängig von zeitlichen Strömungen, Kulturkreisen und Individuen der Fall sein. Wie ist es also möglich, dass Modelle für etwas anderes stehen können, und wie muss die Beziehung zwischen Modelliertem und Modell beschaffen sein, damit das Modell eine Erkenntnis des ursprünglichen Objektes möglich macht?
Erwartungsgemäß finden sich in der Philosophie sehr verschiedene Ansätze zur Beantwortung dieser Fragen, deren Beurteilung eng damit verbunden ist, welcher Realitätskonzeption man sich verschrieben fühlt und welches Bild man allgemein von den Wissenschaften hat. Beispielsweise geht eine semantische Auffassung von Theorien nach Patrick Suppes von einem mathematischen Modellbegriff aus, der Modelle mit Strukturen identifiziert, die in einem bestimmten formalen Abbildungsverhältnis zu Strukturen in der Welt stehen. Dieses mathematische Abbildungsverhältnis definiert damit klar die Beziehung zwischen Zielobjekt und Modell.
Eine wissenschaftliche Theorie kann daraufhin, unabhängig von der Sprache, als eine Menge von Modellen gesehen werden, statt wie noch im logischen Positivismus und Empirismus als eine Menge (sprachlicher) Theoreme. Ein anderer Ansatz, der sich im Gegensatz dazu viel stärker an der tatsächlichen Praxis der Modellbildung orientiert und beispielsweise von Daniela Bailer-Jones vertreten wurde, bringt Modelle mit dem Begriff der Interpretation zusammen. Ein wissenschaftliches Modell wäre dementsprechend eine interpretierende Beschreibung eines Phänomens, die einen wahrnehmenden oder intellektuellen Zugang zu diesem Phänomen eröffnet.