Das Beben des Urknalls : Trübe Aussicht
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Was hat das Bicep2-Teleskop (im Vordergrund) tatsächlich gemessen? Im Hintergrund sieht man das South Pole Telescope (SPT). Bild: dpa, Harvard University
Hat sich der Kosmos nach dem Urknall tatsächlich inflationär ausgedehnt, wie viele Theoretiker glauben? Die vielversprechenden Beobachtungen einer amerikanischen Astronomengruppe von diesem Frühjahr werden nun durch neue Messungen des Weltraumteleskops Planck in Zweifel gezogen.
Es war eine Bombe, was im März dieses Jahres die Forschergruppe um John Kovac vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz verkündete: Man hätte - so die Botschaft - mit dem kleinen Südpol-Teleskop Bicep2 in der kosmischen Hintergrundstrahlung charakteristische Signale gemessen, die von der kurzen Zeit nach dem Urknall herrühren. Dabei handele es sich um Polarisationseffekte, die von urtümlichen Gravitationswellen stammen würden und dem Mikrowellenhintergrund aufgeprägt worden seien.
Damit schienen Kovac und seine Kollegen endlich einen klaren Hinweis für die seit langem gehegte These gefunden zu haben, dass sich das Universum nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren während einer extrem kurzen Phase explosionsartig ausgedehnt habe, bevor es begann, gleichmäßig zu expandieren.
Schon hörte man bereits vielerorts die Sektkorken knallen und Astrophysiker jubeln. Denn wer den Beweis erbringt, dass sich das Universum in seiner Frühphase „inflationär“ ausgedehnt hat, dem ist der Physiknobelpreis sicher. Und John Kovac und seine Mitstreiter schienen sich, zumindest was die Interpretation ihrer Messdaten betraf, so sicher zu sein, dass sie ihre Ergebnisse zunächst nur auf ihrer Homepage präsentierten (im Juni erschien erst ein Artikel in den Physical Review Letters“) und nicht - wie üblich - in einer anerkannten Zeitschrift. Doch wie es scheint, haben sie sich zu früh gefreut.
Denn die Ergebnisse werden im wahrsten Sinne des Wortes von dunklen Wolken getrübt. So stammen die aufgefangenen Signale vermutlich nicht von Gravitationswellen - also von Erschütterungen in der Raum-Zeit, wie sie Albert Einstein voraussagt hat - im Zuge der Inflationsphase des Universums, sondern schlicht von kosmischen Staubwolken.
Wolkenverhangener Blick ins All
Das legen nun Messungen des europäischen Weltraumteleskops „Planck“ nahe, die auf der Online-Datenbank für Vorabveröffentlichungen „arXiv“ publiziert worden sind. Das Observatorium vermisst ähnlich wie das irdische Teleskop Bicep2 den kosmischen Mikrowellenhintergrund, also jene Strahlung, die aus einer Zeit stammt, als das Universum erst 380.000 Jahre alt war.
Während das Südpolteleskop nur einen kleinen Himmelsausschnitt observiert, durchmustert Planck das komplette Firmament. Dabei hat man nun die Staubverteilung in der Milchstraße ermittelt, und entdeckt, was den Kollegen aus Amerika gar nicht gefallen dürfte: nämlich, dass auch ziemlich viel Staub das Blickfeld von Bicep2 trübt, was man aber im Vorfeld wohl nicht ganz bedacht hat.
Ein dummer Fehler, zumal bekannt sein dürfte, dass Staubteilchen, die von Sonnenlicht aufgeheizt werden, im gleichen Mikrowellenbereich strahlen wie das Nachglühen des Urknalls und ähnliche Polarisationseffekte zeigen wie die primordialen Gravitationswellen. Und die Messungen von Planck können nun die Signale ihrer Kollegen wunderbar erklären, ohne die Existenz von urtümlichen Gravitationswellen berücksichtigen zu müssen.
Ganz entmutigen möchte man die Forscher um Kovac aber nicht. Ende des Jahres will man gemeinsam endgültige Ergebnisse vorlegen. Bleibt zu hoffen, dass sich die Messdaten der amerikanischen Forscher und damit die urtümlichen Gravitationswellen dann nicht völlig in Staub auflösen.