Rätselhafte Sonne : Ruhe vor dem nächsten Sturm
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Gewaltige Plasma-Eruption auf der Sonne Bild: Soho
Warum ist unser Heimatstern alle elf Jahre besonders aktiv? Göttinger Astronomen haben nun den Motor für den rätselhaften Sonnenzyklus entdeckt.
Auf der Oberfläche unserer Sonne ist es gegenwärtig ausgesprochen ruhig. Es sind keine nennenswerten Sonnenflecken zu beobachten. Auch jene spektakulären Ausbrüche bleiben aus, die normalerweise solares Plasma weit ins Weltall hinausschleudern. Der Grund: Der Zentralstern unseres Planetensystems befindet sich zurzeit im Minimum des Sonnenfleckenzyklus, der im Rhythmus von elf Jahren schwankt. Das nächste Maximum ist erst für die Jahre 2025 und 2026 zu erwarten. Seit langem rätseln die Wissenschaftler, was hinter diesem periodischen Zyklus unserer Sonne steckt. Eine Forschergruppe aus Göttingen ist den Ursachen auf den Grund gegangen. Dabei hat sie auch herausgefunden, warum die Sonnenflecken immer weiter in Richtung Sonnenäquator wandern.
Die Suche nach den Ursachen für den Sonnenzyklus ist keineswegs nur von akademischem Interesse. Ein solares Maximum erfreut beispielsweise Amateurfunker. Denn die dann vermehrt von der Sonne entweichenden elektrisch geladenen Teilchen regen die verschiedenen Schichten in der Ionosphäre hoch über der Erdoberfläche an. Von der Erde ausgesandte Radiowellen werden dort reflektiert, was Funkverbindungen rund um den Globus ermöglicht. Die erhöhte Sonnenaktivität während eines Maximums birgt aber auch erhebliche Gefahren. Die in diesen Phasen von der Sonnenoberfläche ausgehenden magnetischen Stürme können derart viele elektrisch geladene, äußerst energiereiche Partikeln erhalten, dass Satelliten ausfallen und Stromnetze in höheren irdischen Breiten unter der Last der in sie induzierten Ströme zusammenbrechen.
Seit der Dessauer Astronom Samuel Heinrich Schwabe im Jahre 1843 entdeckte, dass die Zahl der Sonnenflecken rhythmisch mit einer Periode von etwa elf Jahren schwankt, haben Forscher nach den Ursachen dieses die gesamte Sonne dominierenden Zyklus gesucht. Während Schwabe seine Beobachtung allein auf die Anzahl der dunklen Flecken auf der Sonnenoberfläche stützte, fand der amerikanische Astronom George Hale etwa 60 Jahre später heraus, dass diese Flecken die Quelle starker magnetischer Anomalien auf der Sonne sind. Im Verlauf eines Zyklus haben alle Flecken die gleiche magnetische Polarität. In der darauffolgenden Periode sind sie dagegen alle in entgegengesetzter Richtung gepolt. Hale schloss daraus, dass der eigentliche Rhythmus der Sonne 22 Jahre dauert. Denn erst nach zwei aufeinanderfolgenden Sonnenfleckenzyklen erreicht die Sonnenoberfläche wieder ihren ursprünglichen magnetischen Zustand.
Seismologie der Sonne
Schon seit langem wird vermutet, dass Konvektionsströme von heißem Plasma innerhalb der Sonne für diese rhythmischen Schwankungen verantwortlich sind. Weil Plasmateilchen elektrisch geladen sind, kann strömendes Plasma gewaltige magnetische Felder erzeugen. Bisher war nicht bekannt, wie groß die Ausdehnung dieser Plasmaströme ist und wie sie sich innerhalb der Sonne ausbreiten. Wissenschaftler vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Forscher von der Universität Göttingen haben nun bei der Auswertung von Langzeitmessungen der Sonne eine Antwort auf diese Fragen gefunden.
Die Forscher um Laurent Gizon sind den Konvektionsströmen mit den gleichen Methoden auf die Spur gekommen, mit denen Seismologen das Innere der Erde erkunden. Geowissenschaftler nutzen durch die Erde laufende Erdbebenwellen, um – ähnlich wie bei einer Röntgenaufnahme in der medizinischen Diagnostik – das Innere unseres Planeten zu durchleuchten. Auch in der Sonne gibt es mechanische Schwingungen, die als Wellen die Sonne durchlaufen und sich als starke Vibrationen auf der Sonnenoberfläche bemerkbar machen. Auf unserem Zentralgestirn existieren zwar keine Seismometer, die solche Schwingungen erfassen könnten. Die Vibrationen zeigen sich aber in detaillierten Aufnahmen der Sonnenoberfläche. Diese dienen als Grundlage der sogenannten Helioseismologie.
Wie Gizon und seine Kollegen in der Zeitschrift „Science“ berichten, werteten sie Aufnahmen einer 23 Jahre langen Messreihe von verschiedenen Sonnenbeobachtungen aus. Sie griffen sowohl auf Daten des gemeinsam von der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa und der Europäischen Raumfahrtagentur Esa betriebenen Satelliten „Soho“ und des amerikanischen Sonnenobservatoriums „Solar Dynamics Observatory“ zurück als auch auf die Aufnahmen eines internationalen Netzwerks erdgebundener Sonnenteleskope.
Driftende magnetische Anomalien
Aus den Daten ermittelten die Forscher die Ausbreitungsgeschwindigkeit der seismischen Vibrationen auf der Sonnenoberfläche und berechneten daraus die Struktur der Konvektionsströme des Plasmas im Sonneninneren. Dabei entdeckten sie mehrere verschiedene Ströme. Es zeigte sich, dass die intensivsten jeweils entlang der Sonnenmeridiane vom Sonnenäquator in Richtung der Pole fließen. In höheren solaren Breiten tauchen sie bis zu 200.000 Kilometer tief in die Sonne ein. Dort strömen sie zum Äquator zurück und steigen dort wieder bis in die Nähe der Oberfläche auf.
Jeder dieser Ströme durchläuft damit etwa das oberste Drittel des gesamten Sonnenkörpers. Überrascht waren die Forscher, als sie aus der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Ströme deren Umlaufperiode ermittelten. Sie betrug ziemlich genau 22 Jahre und entsprach also exakt der Dauer eines vollständigen Sonnenzyklus.
Bei der Auswertung der Messreihen und der Modellierung der verschiedenen Konvektionsströme trat noch ein weiteres, bisher ungelöstes Detail zutage: Seit etwa 1880 ist bekannt, dass die Sonnenflecken im Laufe eines jeden Zyklus symmetrisch von den mittleren Breiten aus immer weiter in Richtung Sonnenäquator wandern. Ein Diagramm dieser Drift auf einer Karte der Sonnenoberfläche hat dabei die Form eines Schmetterlings. Die Göttinger Forscher um Gizon fanden heraus, dass jene die Flecken erzeugenden magnetischen Anomalien auf Konvektionsströmen driften. Diese fließen in Richtung Sonnenäquator, ähnlich wie die irdischen Kontinentalplatten auf den Konvektionsströmen im Erdmantel surfen.