Kometenmission Rosetta : Tschuri speit Gas und Staub
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Komet 67P aufgenommen am 1. Juni aus einer Entfernung von 209 Kilometern. Bild: Esa
Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko schleudert mittlerweile auch nachts Fontänen von Staub und Gas ins All. Tagsüber werden die Gase durch die Sonnenstrahlung gespalten. Eine Analyse legt die zugrundeliegenden Prozesse offen.
Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko wird immer aktiver. Nun schleudert er auch nach Einbruch der Dunkelheit jede Menge Staub und Gas ins All. Das zeigen die jüngsten Aufnahmen der europäischen Raumsonde „Rosetta“, die seit August vergangenen Jahres den etwa 4 mal 3,5 mal 3,5 Kilometer großen Himmelskörper umkreist. Für den Effekt ist offenkundig die zunehmende Erwärmung des Kometen auf dessen Flugbahn in Richtung Sonne verantwortlich. Den sonnennächsten Punkt - den Perihel - wird der Himmelskörper Mitte August erreichen.
Die Bilder, die bereits am 25. April geschossen wurden, entstanden etwa eine halbe Stunde, nachdem die Sonne über der beobachteten Region auf 67P/Tschurjumow-Gerassimenko untergegangen war. Sie zeigen deutlich mehrere Staubfontänen, die ins All entweichen. „Staubfontänen, die auch nach Sonnenuntergang weiter bestehen, beobachten wir erst seit kurzem“, sagt der Leiter der Forschergruppe, die die Rosetta-Kamera „Osiris“ betreut, Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen. In den vergangenen Monaten war die Aktivität des Kometen in der Regel an den Stellen zu beobachten, die während des Tages vom Sonnenlicht beleuchtet wurden. Sobald die Nacht hereinbrach, kamen die Fontänen zum Erliegen und erwachten erst nach Sonnenaufgang zu neuem Leben. „Die Sonneneinstrahlung wird jetzt immer intensiver, die beleuchtete Oberfläche immer wärmer“, erklärt Sierks.
Modellrechnungen deuten darauf hin, dass der Komet die Wärme vom Tag für einige Zeit unter seiner Oberfläche speichern kann. „Während der oberflächliche Staub nach Sonnenuntergang rasch abkühlt, bleiben tiefer liegende Schichten länger warm“, erklärt die Osiris-Wissenschaftlerin Xian Shi, die die nächtlichen Fontänen untersucht hat. Unter der Oberfläche vermuten die Wissenschaftler der Rosetta-Mission einen Vorrat an gefrorenen Gasen, die die Aktivität des Kometen speisen.
Sonnenlicht spaltet Wasser und Kohlendioxid
Bereits frühere Kometen-Missionen wie „Stardust“ zum Kometen 81P/Wild 2 und „Deep Impact“ zum Kometen 9P/Tempel 1 hatten Hinweise auf Fontänen geliefert, die auf der Nachtseite dieser Himmelskörper entstehen. „Doch erst die hochaufgelösten Bilder von ,Osiris‘ erlaubten es, dieses Phänomen detailliert zu studieren, sagt Sierks.
Die Gase, die von Tschuris Oberfläche entweichen, bestehen vor allem aus Kohlendioxid und Wasser. Doch unter dem Einfluss der ultravioletten Anteils des Sonnenlichts zerfallen die Gasmoleküle. Es entstehen Atome von Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff, die man in der Koma von 67P/Tschurjumow-Gerassimenko und in der Koma anderer Kometen nachgewiesen hat.
Auf welche Weise die Wasser- und Kohlendioxidmoleküle aufgebrochen werden, haben jetzt amerikanische und europäische Forscher untersucht, die an der Rosetta-Mission beteiligt sind. Das Ergebnis: Die Moleküle zerfallen offenkundig in Folge eines zweistufigen Prozesses.
Chemische Analysen aus nächster Nähe
Im ersten Schritt trifft ein ultraviolettes Photon der Sonne auf ein Wassermolekül in der Kometenkoma und ionisiert es. Dabei wird ein energiereiches Elektron aus dem Molekül herausgelöst. Das Elektron trifft dann im zweiten Schritt auf ein anderes Wassermolekül und spaltet es in zwei Wasserstoff- sowie ein Sauerstoffatom. Die anregten Zerfallsprodukte strahlen ihrerseits dann ultraviolette Photonen aus. Deren charakteristische Wellenlängen sind vom Alice-Spektrographen an Bord der Raumsonde registriert worden. Trifft ein energiereiches Elektrons auf ein Kohlendioxidmolekül, kommt es ebenfalls zu einer Zersetzungsreaktion, wobei zwei Sauerstoffatome und ein Kohlenstoffatom entstehen. Kohlenstoff konnten die Forscher ebenfalls im Spektrum des Kometen 67P nachweisen.
„Durch die Analyse der relativen Intensitäten der beobachteten atomaren Emissionen konnten wir feststellen, dass wir tatsächlich die ‚Eltern’-Moleküle beobachten, die von Elektronen in unmittelbarer Nähe des Kometenkerns, etwa einen Kilometer von ihm entfernt, aufgebrochen werden, und zwar an dem Ort, an dem sie entstehen“, sagt Paul Feldman von der Johns Hopkins University in Baltimore, Erstautor der Studie, die demnächst in der Zeitschrift „Astronomy and Astrophysics“ erscheint.
Mit irdischen Teleskopen oder weltraumgestützten Observatorien wie dem Hubble-Weltraumteleskop aus können die atomaren Bestandteile von Kometen dagegen nur beobachtet werden, nachdem die Wasser- oder Kohlendioxidmoleküle vom Sonnenlicht aufgebrochen worden sind – Millionen Kilometer vom Kometenkern entfernt. Die Raumsonde Rosetta war, als die Messungen ausgeführt wurden, dem Kometenkern bis auf zehn Kilometer nahe gekommen.
Die Rosetta-Sonde der europäischen Weltraumagentur Esa hatte im August 2014 nach zehnjähriger Reise ihr Ziel erreicht. Seit dem umkreist sie den kleinen Himmelskörper aus Eis, gefrorenen Gasen und Staub. Im vergangenen November landete Rosettas-Minilabor „Philae“ auf dem Kometen und lieferte gut zwei Tage lang wissenschaftliche Daten, ehe seine Batterien erschöpft waren.