Komet C/2022 E3 : Zuletzt konnten ihn die Neandertaler bestaunen
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Vielleicht wird er nach diesem Besuch das Sonnensystem ganz verlassen: Der Komet C/2022 E3 (ZTF) fliegt nach 50.000 Jahren wieder an der Erde vorbei. Bild: NASA/Dan Bartlett
Der Komet C/2022 E3 (ZTF) ist seit Sonntag mit bloßem Auge am Himmel zu sehen. Eine einmalige Chance. Denn wenn überhaupt, kehrt er erst in Jahrmillionen zurück.
Das Sternbild der Giraffe ist nicht eben klein – tatsächlich nimmt es mehr Platz am Himmel ein als Orion oder Andromeda. Und durch seine Lage in der Nähe des nördlichen Himmelspols ist es in unseren Breiten auch zu jeder Jahreszeit zu beobachten. Nur gibt es dort für gewöhnlich nichts zu sehen. Der hellste Stern dieser Konstellation ist schwächer als die Andromeda-Galaxie.
Trotzdem richten dieser Tage viele Sternenfreunde ihren Blick zur Giraffe, denn seit Sonntag steht dort der erste Komet seit dem Vorbeiflug des Kometen Neowise im Sommer 2020, der von der Erde aus im Prinzip mit bloßem Auge sichtbar ist. Am Mittwoch wird der neue Schweifstern den erdnächsten Punkt seiner Bahn erreichen, danach beständig schwächer werden und wahrscheinlich niemals wieder zu sehen sein. Und dann ist er auch noch grün!
Doch der Reihe nach. Der offizielle Name des Kometen lautet C/2022 E3 (ZTF), was denen, die in die Namenskonventionen der Kometenforscher eingeweiht sind, schon einiges über ihn verrät. Mit dem Buchstaben C werden Kometen versehen, die noch nie im Bereich der inneren Planeten gesichtet wurden, seit man vor 200 Jahren mit der systematischen Erfassung aller Kometen begann, da sie für einen Umlauf um die Sonne länger brauchen. In diesem Fall hielt sich das Objekt vermutlich zuletzt vor rund 50.000 Jahren in Sonnennähe auf.
Zunächst wurde er für einen Asteroiden gehalten
„2022 E3“ codiert den Zeitpunkt seiner Entdeckung: Da E der fünfte Buchstabe im Alphabet ist, handelt es sich um das dritte im fünften Halbmonat – also der ersten Märzhälfte – des Jahres 2022 neu erfasste Objekt. Das Kürzel ZTF schließlich steht für „Zwicky Transient Facility“ in Kalifornien, ein Spezialinstrument zum Aufspüren transienter, also nur vorübergehend erscheinender Himmelsphänomene, das nach dem aus der Schweiz stammenden amerikanischen Astronomen Fritz Zwicky (1898 bis 1974) benannt wurde.
Mit diesem Gerät wurde der Komet am 2. März 2022 entdeckt, allerdings zunächst für einen Asteroiden gehalten, also einen Brocken aus Stein oder Metall. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich allerdings noch weit draußen, irgendwo zwischen der Jupiterbahn und dem Asteroidengürtel. Nun bestehen Kometen zu einem guten Teil aus gefrorenen Gasen, die erst in Sonnennähe – etwa in doppeltem Abstand Erde–Sonne – abzudampfen beginnen und den festen Kern mit einer leuchtenden Wolke, der Koma, umgeben. Am 12. Januar erreichte C/2022 E3 sein Perihel, also seinen sonnennächsten Punkt, etwas außerhalb der Erdbahn.
Was ist nun das Besondere an C/2022 E3 (ZTF)? Soweit bisher bekannt eigentlich nur seine Beobachtbarkeit für Menschen ohne großkalibrige Optik. Doch möge sich keiner zu früh freuen. Auch dort, wo sich kein Februar-Grau über das Land wölbt, kommt den Kometenguckern der zunehmende Mond in die Quere, der bereits vier Tage nach der nächsten Annäherung zum Vollmond wird und erst in den frühen Morgenstunden untergeht.
Man braucht Adleraugen oder ein gutes Fernglas
Vor allem aber wird der Komet auch an seiner erdnächsten Position – da ist er 109-mal weiter weg als die mittlere Distanz zwischen Erde und Mond – wahrscheinlich nur so gerade eben mit bloßem Auge sichtbar sein. Und das auch nur für Leute mit Adleraugen fernab jeglicher beleuchteter Zivilisation. Alle anderen mögen neben viel Geduld und warmer Kleidung vor allem ein gutes Fernglas mitbringen. Am besten sind die Chancen vermutlich erst wieder tiefer in der ersten Februarhälfte, wenn die Helligkeit des Kometen zwar schon wieder abgenommen hat, der Mond aber wieder schmaler geworden ist und später aufgeht. Dabei wird das Objekt nach dem 4. Februar die sternarme Giraffe wieder verlassen haben und in das dichter besetzte Sternbild Fuhrmann und schließlich in den Stier weitergezogen sein.
In keinem Fall darf man eine Show erwarten wie beim Kometen Hale-Bopp im Jahr 1997, dem letzten wirklich spektakulären Kometen am Nordhimmel. Daran ändert auch die grüne Farbe von C/2022 E3 nichts. Denn erstens wird die mit bloßem Auge kaum zu erkennen sein, und zweitens ist sie kein Alleinstellungsmerkmal. Auch andere Kometen sind grün – allerdings findet sich dieser Farbton nur in der Koma, nicht im Schweif des Objekts. Der Grund dafür wurde lange nur vermutet und erst 2021 empirisch gesichert. Das grüne Leuchten stammt nämlich von einer hochreaktiven Substanz aus zweiatomigen Kohlenstoffmolekülen. Dieses Dicarbon entsteht durch Wechselwirkung des im Kometengas enthaltenen Kohlenmonoxids mit dem Sonnenlicht, in dem es dann grün fluoresziert. Allerdings wird Dicarbon durch die Sonneneinstrahlung auch gespalten. Die mittlere Lebensdauer der Moleküle ist gerade so lang, dass sie sich in dieser Zeit in der Koma ausbreiten, aber nicht mehr in den einige zehn bis hundert Millionen Kilometer langen Schweif gelangen können.
Wer C/2022 E3 verpasst, muss sich also nicht grämen, nie wieder die Gelegenheit zu haben, einen grünen Kometen zu sehen. Diesen speziellen aber wird danach niemand mehr wiedersehen, auch keiner unserer fernen Nachkommen in 50.000 Jahren. Denn nach allem, was über die Bahnellipse dieses Kometen bekannt ist, wird sie durch die Gravitation des Jupiters und des Saturns noch stärker in die Länge gezogen und die Umlaufzeit damit auf Jahrmillionen erhöht werden. Möglicherweise wird er das Sonnensystem aber auch ganz verlassen und niemals wiederkehren.