Extrem alter Stern : Ein Kind der ersten Sternengeneration
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Ein massiver Stern der ersten Generation explodiert und schleudert seine Materie ins All. Bild: National Astronomical Observatory of Japan
Archäologie im Weltall: Ein uraltes massives Gestirn verrät sich durch die untypische Häufigkeit seiner Elemente. Wer war sein Vorgänger?
Schon lange suchen die Astronomen nach den ersten Sternen im Universum. Weil anfangs nur die beiden Elemente Wasserstoff und Helium existierten, müssen die ersten Sterne deutlich mehr Masse in sich vereint haben als etwa die Sonne, um überhaupt entstehen zu können. Da Wasserstoff allein die bei der Kontraktion einer Gaswolke anfallende Wärme wesentlich schlechter abstrahlen kann als andere, schwerere Elemente, konnten sich nur ziemlich massereiche Gasansammlungen zu Sternen verdichten. Ob damals auch Sterne mit mehr als der hundertfachen Sonnenmasse entstanden sind, war bislang allerdings unklar. Solche extrem massereichen Objekte könnten dann am Ende ihres kurzen Daseins zu massiven Schwarzen Löchern kollabiert sein, die vielleicht zu Keimzellen für die Schwerkraftfallen wurden, die man in den Zentren der meisten Galaxien antrifft.
Jetzt hat eine Forschergruppe von japanischen und amerikanischen Universitäten einen extrem alten Stern in der Milchstraße aufgespürt, dessen Zusammensetzung auf die vorausgegangene Explosion eines Objektes mit mehr als 140 Sonnenmassen hinweist. In der Zeitschrift „Science“ präsentieren Wako Aoki vom japanischen Nationalen Astronomischen Observatorium (NAOJ) und seine Kollegen ihre Beobachtungen, die sie als ersten konkreten Hinweis auf die Existenz solch massereicher Sterne der ersten Generation werten (doi: 10.1126/science. 1252633).
Chemische Zusammensetzung
Der Stern mit der Bezeichnung SDSS J0018-0939 im Sternbild Walfisch war schon bei einer Himmelsdurchmusterung, dem „Sloan Digital Sky Survey“, als ungewöhnlich „metallarm“ aufgefallen. Als Metalle bezeichnen die Astronomen alle Elemente jenseits von Wasserstoff und Helium, die erst nachträglich im Innern von Sternen oder im Zusammenhang mit Supernova-Explosionen erbrütet wurden. Die detaillierte Untersuchung des Sterns mit dem vom NAOJ betriebenen 8,2-Meter-Subaru-Teleskop auf dem erloschenen Hawaii-Vulkan Mauna Kea hat nun weitere Besonderheiten der chemischen Zusammensetzung aufgedeckt.
So beläuft sich der Anteil an Eisen nur auf etwa Dreihunderstel der Eisenkonzentration in der Sonne. Leichtere Elemente wie Kohlenstoff und Magnesium sind im Vergleich dazu noch seltener vorhanden. Von den bislang rund 500 untersuchten extrem metallarmen Sternen weist kein anderer einen ähnlichen Mangel an Kohlenstoff und Magnesium auf wie SDSS J0018-0939. Erklären lassen sich diese Defizite sowie weitere Besonderheiten in der elementaren Zusammensetzung des rund 1000 Lichtjahre entfernten Sterns nach Ansicht der Forscher nur durch folgende Annahme: Die Gaswolke, aus der der Himmelskörper vor mehr als zwölf Milliarden Jahren entstanden ist, wurde durch die Trümmerwolke einer ganz besonderen Sternexplosion „angereichert“.
Sehr massereich
Denn nur bei äußerst massereichen Sternen – also Sternen mit 140- und 300-facher Sonnenmasse – sagen die Theorien zur Sternentwicklung das jähe Ende des Sterns in einer sogenannten Paar-Instabilitäts-Supernova voraus, deren Trümmerwolke die bei SDSS J0018-0939 beobachteten Elementhäufigkeiten liefern kann.
Bei einem derart massereichen Stern steigt die Zentraltemperatur in einem späten Entwicklungsstadium so weit an, dass die im Innern produzierten Photonen energiereich genug sind, um spontan Elektron-Positron-Paare zu bilden. Dadurch gerät im Sterninneren das zuvor austarierte Wechselspiel zwischen nach innen wirkender Anziehungskraft und nach außen wirkendem Strahlungsdruck aus dem Gleichgewicht, und der massereiche Stern kollabiert mehr oder minder plötzlich. In der Folge erfasst die gerade laufende Fusion von zuvor entstandenem Sauerstoff zu schwereren Elementen schlagartig den gesamten Stern und reißt ihn buchstäblich auseinander.
Obwohl SDSS J0018-0939 zunächst nur einen indirekten Hinweis auf die vorausgegangene Existenz eines entsprechend massereichen Sterns der ersten Generation liefert, kann dies bereits als Durchbruch angesehen werden. Bislang nämlich war den Astronomen noch kein Stern mit einem ähnlich klarem „Erbe“ einer Paar-Instabilitäts-Supernova ins Netz gegangen, so dass sie nicht sicher sein konnten, ob die Sterne der ersten Generation wirklich – wie von der Theorie für möglich gehalten – extrem massereich werden konnten. Einen direkten Nachweis dieser massereichen ersten Sterne erhoffen sich die Forscher in einigen Jahren vom James-Webb-Weltraumteleskop, dem Nachfolger des Hubble-Weltraumobservatoriums, beziehungsweise von noch größeren Teleskopen auf der Erde.