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Auf Kometenjagd : Gleich links von der Nördlichen Krone

Auch in 12.000 Meter Höhe nicht leicht aufzuspüren: Der Schweifstern Lovejoy zieht seine Bahn im Sternbild Nördliche Krone Bild: Wilfried Bongartz/Volkssternwarte Bonn

Der Jahrhundertkomet Ison ist tot, es lebe der Schweifstern Lovejoy: ein nächtlicher Flug mit Kometenjägern an den Rand der Atmosphäre.

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          Zweiter Advent, ein paar Meter unter dem atemberaubendsten Sternenhimmel, den man sich vorstellen kann. 41.000 Fuß über dem Ärmelkanal. Flug AB1000. Zwei Drittel der Atmosphäre liegen unter uns. Wir sind auf der Suche nach dem Weihnachtsstern. Und was fällt mir dazu ein: Big Data. So, denke ich mir, muss man sich wohl die digitale Revolution vorstellen, wie ein Steilflug von der beleuchteten belgischen Autobahn unter uns mitten hinein ins Universum, wo man von funkelnden Lichtern erschlagen wird und kein Mensch sich mehr auskennt. So verkorkst sind wir schon. „Suchen Sie die Nördliche Krone“, ruft Stefan Krause, der Hobbyastronom aus Bonn, Buchautor und neuerdings Sternenguide bei der Eclipse-Reiseagentur.

          Joachim Müller-Jung
          Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

          „Suchen Sie nach einer nach links geöffneten Sternengruppe.“ Der Nacken wird langsam steif. Wir sind nur siebzig, vielleicht achtzig Passagiere an Bord der Boing 737-800, junge, alte und Kinder, und alle kleben wir an den frisch gewienerten Fenstern. Es fehlt nichts, die Ferngläser nicht, die Experten nicht, sogar der hochmoderne „Night Sky“-Dimmer des Bordlichts wird eingeschaltet, der eigentlich den Jetlag bei Langstreckenflügen verhindern soll und nun die Reflexionen im Ausguck ausschaltet. Aber wo ist der Schweifstern, wo ist „Lovejoy“?

          „Links von der Nördlichen Krone“, Krause lässt nicht locker. Er hat den Kometen mit seinem Feldstecher schon kurz nach dem Start in Köln über belgischem Gebiet gesichtet, „sein Schweif geht über das halbe Okular“. Mein Fernglas ist auch klasse, etwas lichtschwächer zwar, dafür aber mit Chromoptik von National Geographic Channel und durchaus brauchbar: 12 mal 32, zwölffache Vergrößerung bei einem Objektivdurchmesser von passablen 32 Millimetern. Peter Oden in der Reihe vor mir klickt im Smartphone nach der Sternenkarte, ein Atlas in allerschönster graphischer Aufarbeitung. Doch was der Sternenfotograf im Handy zeigt, verschwimmt beim Blick raus aus dem Fenster buchstäblich wie die Sardine im Schwarm. Claudius Ptolemäus hatte keine digitalen Hilfsmittel, und vermutlich hatte er die Nördliche Krone von der Bettkante aus beim Blick in den antiken Nachthimmel entdeckt. Er nannte sie deshalb auch sehr schön: Corona Borealis.

          Augenzeuge des Kometenfestivals

          Wir sind den Sternen heute zwölfeinhalb Kilometer näher und bestens ausgerüstet. Aber der gesuchte Komet versteckt sich hier am Rand der Atmosphäre ebenso wie die dazugehörigen Sternhaufen zwischen Bärenhüter und Herkules. Dabei ist Lovejoy heute wirklich dringend gesucht, kein beliebiger Komet. Er ist schon der vierte allein in diesem Jahr, der mit bloßem Auge - jedenfalls mit Fernglas - am Himmel zu sehen sein soll. Für die Astronomen war dieses Jahr schon deshalb das Jahr der Schweifsterne. Vom Kometenfestival war schon die Rede, von einer Show, wie man sie die letzten Jahrzehnte nicht erlebt hat. Zwei Namen tauchten immer wieder auf: Komet „Panstarrs“ im Frühjahr und „Ison“ im Winter. Panstarrs war eher mau, „Ison“ aber sollte der Weihnachtskomet werden. Groß am Nachthimmel wie ein Vollmond sollte er zu sehen sein. National Geographic Channel hat ihm eine einstündige Dokumentation mit dem Titel „Der Jahrhundertkomet“ gewidmet, die am 15. Dezember ausgestrahlt wird, zudem wird er in der Wiederaufnahme der Astrokultreihe „Unser Kosmos“ im Frühjahr nächsten Jahres eine prominente Rolle spielen. Auch die Flugreise in den belgisch-holländischen Nachthimmel war als Spektakel für Ison gedacht.

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