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Fruchtweine : Nor einen wönzigen Schlock

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An der Hefe scheiden sich die Geister

Eine Glaubensfrage beim Fruchtweinkeltern betrifft die zu verwendende Hefe. Im kleinen Schrebergartenmaßstab verlässt man sich oft noch auf die Spontangärung durch die an den Früchten haftenden Wildhefen und andere Mikroorganismen. Die können, wenn es die falschen sind, aber auch den ganzen Ansatz mit einer Note von Knoblauch, Kohl oder faulen Eiern verderben. Dies geschieht vor allem in der Anfangsphase. Spätestens bei vier Prozent Alkoholgehalt gehen die meisten davon an ihrem eigenen Stoffwechselprodukt Ethanol zugrunde. Übrig bleiben echte Weinhefen der Gattung Saccharomyces, die in ihrer Wildform aber auch nur begrenzt mit dem Alkohol zurechtkommen. Wer auf Sicherheit und stärkeren Stoff setzt, greift deshalb auf speziell zur Weinherstellung gedachte, käufliche Reinzuchthefen zurück, die je nach Stamm bis zu 18 Prozent Alkohol vertragen und von sogenannten Kellerhefen erfolgreicher Weingüter abstammen.

Zur alkoholischen Gärung, bei der Zucker (C₆H₁₂O₆) zu Ethanol (C₂H₆O), Kohlendioxid und Wasser umgesetzt wird, schreiten aber auch Hochleistungshefen nur, wenn sie es wirklich müssen, also unter Ausschluss von Sauerstoff. An frischer Luft bevorzugen auch sie die wesentlich effizientere reguläre Zellatmung, bei welcher der Zucker komplett in Kohlendioxid und Wasser verwandelt wird. Deswegen braucht der Hobbykellermeister einen geschlossenen Gärbehälter mit Gärverschluss, der das entstehende Kohlendioxid entweichen lässt und Luftsauerstoff draußen hält. Je nach Temperatur dauert es einige Wochen bis Monate, bis die Weinhefe den Zucker umgesetzt hat. Verfolgen lässt sich dieser Vorgang ganz einfach an einer Flasche Federweißem. Das trübe Getränk enthält noch jede Menge Hefe und wird bei längerer Lagerung immer alkoholhaltiger, aber auch trockener. Die absterbende Hefe setzt sich währenddessen am Boden ab, der fast fertige Wein klärt sich.

Trinken mit gutem Gewissen

Wenn der Hobbywinzer alles richtig macht, kann er durchaus mit einem passablen Tröpfchen belohnt werden, meint Frank Will. In der Praxis gehe aber eben auch so manches schief. Häufigstes Problem seien mangelnde Hygiene und zu viel Sauerstoff. Dadurch können unerwünschte Kahmhefen überhandnehmen, die für muffig-käsige Aromen sorgen. Oder aerobe Bakterien, die aus Alkohol Essig machen, was ohnehin das natürliche Schicksal jedes Weines ist, sofern er nicht durch Schwefelung haltbarer gemacht wird. Ein Großteil solcher Privat-Cuvées, ob nun aus Trauben oder anderen Früchten, sei deshalb objektiv kaum genießbar, lautet das harte Urteil des Geisenheimer Weinanalytikers.

Wem es weniger aufs Selbermachen als auf das Ergebnis ankommt, hält sich vielleicht besser an professionell erzeugte Fruchtweine, von denen in Deutschland jährlich immerhin rund hundert Millionen Liter konsumiert werden. Mehr als achtzig Prozent davon entfallen auf den Apfelwein, andere Frucht- und Beerenweine bezeichnet Frank Will als „Nische in der Nische“.

Und wie bekommt das Zeug nun? Freunde des Ebbelwoi sind fest davon überzeugt, sich ein gesundes, weil im Vergleich zu Wein und Bier kalorienarmes und mineralreiches Getränk zuzuführen. Mindestens kann man sagen, dass sie mit jedem Schluck etwas für die Ökologie tun. Weil die handelsüblichen Tafeläpfel zu viel Zucker und zu wenig Säure enthalten, wird Apfelwein nach wie vor hauptsächlich aus alten Sorten wie dem Gacksapfel, dem Kloppenheimer Streifling oder dem Heuchelheimer Schneeapfel gekeltert. Die wachsen ausschließlich auf extensiv genutzten Streuobstwiesen, einem der artenreichsten Biotoptypen Mitteleuropas. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwanden fast drei Viertel aller Streuobstwiesen, weil sich ihre Nutzung nicht mehr rentierte. Das gilt auch für Hessen mit seinen ehemals mehr als zwölf Millionen Obstbäumen. Doch in jüngster Zeit wachsen wieder neue nach. Denn für Wein aus Kartoffeln oder Karotten gibt es nur einen hessischen Spruch: „Der wärd sisch hier ned durschsetze.“

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