Vertikale Landwirtschaft : Geschmack nach Beleuchtung
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Landwirtschaft, einmal anders: Tomaten reifen unter Halbleiterbeleuchtung. Bild: Philips
Nutzpflanzen ließen sich auch in Hochhäusern anbauen, sofern das Licht stimmt. Ist es das falsche, leidet auch das Aroma. Nun verheißt die LED-Technik ganz neue Möglichkeiten.
Kaum ein Kind mag Rosenkohl. Aber wer weiß heute noch, wie der wächst? Die Getreidefelder neben den Autobahnen sind oft das Einzige, was der Großstädter regelmäßig von der Herkunft seiner Nahrungsmittel mit eigenen Augen sieht. Die Hälfte der Menschheit wohnt heute bereits in der Stadt. Die Metropolen wachsen, die Ackerfläche schrumpft, besonders im asiatischen Raum. Zwar konnte die moderne Agrartechnik die landwirtschaftliche Produktivität erheblich steigern, doch zumindest dieses Wachstum hat Grenzen. Um die Weltbevölkerung von morgen zu ernähren, bedarf es nach jüngsten Schätzungen einer zusätzlichen Fläche von der Größe Brasiliens.
Einen Vorschlag zur Lösung des Problems machte 1999 Dickson Despommier zusammen mit seinen Studenten an der New Yorker Columbia University. Zur Steigerung der Ernteerträge pro Fläche wollen sie Nutzpflanzen vertikal anbauen. Man stelle sich ein Hochhaus vor, in dessen Etagen unterschiedliche Nutzpflanzen wachsen: unten Äpfel und Pfirsiche, darüber Erdbeeren, ganz oben Kräuter wie Thymian, Basilikum oder Minze. Das Hochhaus kann dann mitten in der Stadt stehen, nahe beim Verbraucher. Die anfängliche Idee hat sich heute zu einem interdisziplinären Projekt entwickelt. Bisher ist die Produktion jedoch nur im kleinen Maßstab möglich, etwa in Tokio: Dort baut die Sandwich-Kette Subway ihren Salat schon direkt im Laden an.
Hoffnungsträger LED
Ein Problem der vertikalen Farm ist allerdings die Beleuchtung. Woher bekommen die Pflanzen der unteren Etagen ihre Sonne? Künstliche Lichtquellen werden in der Landwirtschaft durchaus schon verwendet, man denke an den illegalen Hanfanbau, der aus naheliegenden Gründen meist in geschlossenen Räumen stattfindet. Doch es ist teuer, über den Indoor-Äckern ständig das Licht anzulassen, zumal die Ergebnisse oft nicht mit einem Anbau im Sonnenlicht vergleichbar sind.
Leuchtdioden, englisch Light Emitting Diode (LED), könnten die Lösung sein. Leuchtstarke LEDs sind seit 2010 auf dem Markt und heute ein Hoffnungsträger vieler Landwirte. So arbeiten Hersteller wie Philips, Siemens oder General Electric an entsprechend effizienten LED-Produkten, die sich an die landwirtschaftlichen Bedürfnisse anpassen.
LEDs sind Halbleiterelemente und emittieren zunächst nur Licht bestimmter Wellenlängen. Pflanzen, die unter freiem Himmel wachsen, steht dagegen das gesamte Spektrum des Sonnenlichts zur Verfügung. Allerdings nutzen sie davon nur einige Prozent dieses Wellenlängenbereichs, um Photosynthese zu betreiben. Entscheidend für das Pflanzenwachstum sind die roten Spektralanteile zwischen 600 und 720 Nanometer und in geringem Umfang die blauen zwischen 360 und 500 Nanometer. Dieses Licht liefert die notwendige Energie, um mittels des Pflanzenfarbstoffs Chlorophyll aus Wasser und dem aus der Luft aufgenommenen Kohlendioxid Traubenzucker und Stärke zu produzieren. „Die Interaktion von Pflanze und Licht ist aber deutlich komplexer, als uns das Absorptionsspektrum des Chlorophylls manchmal glauben lässt, und löst je nach Intensität und Zusammensetzung des Lichts unterschiedliche Reaktionen aus“, sagt Nico Domurath, wissenschaftlicher Leiter der Dresdener Integar GmbH, Institut für Technologien im Gartenbau. So verändere sich auch der Geschmack je nach Farbmischung.