Roger Penrose : Die Welt muß stimmen
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Das ließ er sich sogar patentieren: Sir Roger und eines seiner aperiodischen Fliesenmuster Bild: Illustration Isabel Klett
Wie erklärt man das Unerklärliche? Keiner kann das besser als Sir Roger Penrose vom Mathematischen Institut der Universität Oxford. Und keiner eckt damit heftiger an.
Das Mathematische Institut der Universität Oxford ist wirklich nichts fürs Auge. Architektonisch bietet der moderne Bau neben den gotischen Colleges nichts, auch nicht im Inneren. Nur im zweiten Stock, vor den Professorenbüros, hängt ein Bild. Es zeigt die Mikroskopaufnahme eines Kristalls, mit dem aber irgend etwas nicht stimmt. Das Muster scheint regelmäßig, und doch verweigert es sich, aufs Ganze gesehen, der kristallgemäßen Wiederholung.

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Es ist ein sogenannter Quasikristall. Daß das Bild hier hängt, hat mit dem nicht eben hünenhaften Herrn zu tun, der im nächsten Moment die Treppe hinauf eilt: Roger Penrose hat die mathematische Struktur, die sich in den Quasikristallen als Teil der Realität entpuppte, einst entdeckt. Bis zu seiner Emeritierung hatte der heute 75jährige hier sein Büro.
Es geht ihm um die ungelösten Grundlagenprobleme
An Sir Roger ist nichts Exzentrisches - und das ist irgendwie verwunderlich. Denn er ist nicht nur Brite, sondern auch der zeitweilige wissenschaftliche Weggefährte Stephen Hawkings. Als mathematischer Physiker ist er mindestens so angesehen wie der Medienstar auf Newtons Thron und als Sachbuchautor fast ebenso erfolgreich. Und das, obwohl auch Penrose' Bücher von kaum verständlichen Dingen handeln. Mit Hawking zusammen gelang ihm in den sechziger Jahren der Beweis, daß es während des Urknalls und im Inneren Schwarzer Löcher sogenannte Singularitäten geben muß - Punkte also, an denen die Krümmung der Raumzeit unendliche Werte annimmt und Einsteins Relativitätstheorie zusammenbricht. Die Suche nach der Theorie, die an solchen Orten das Kommando übernimmt, der Theorie der sogenannten Quantengravitation, ist ein Hauptthema beider Wissenschaftler geblieben.
Doch Penrose geht als Sachbuchautor andere Wege als Hawking in seiner „Kurzen Geschichte der Zeit“. Penrose will Wissenschaft nicht nur popularisieren, sondern erklären. Vor allem geht es ihm um die ungelösten Grundlagenprobleme, über die sich die Zunft seiner Meinung nach nur unzureichend im klaren ist.
Der Erfolg scheint ihm recht zu geben
Sein jüngstes Buch, „The Road to Reality“, ist denn auch eine monumentale Auseinandersetzung mit dem physikalischen Zeitgeist - und zugleich eine Hymne auf die Mathematik. Schon in seinen früheren Büchern brach Penrose mit dem ehernen Gesetz populärwissenschaftlichen Publizierens, das da lautet, Mathematik und vor allem Formeln unbedingt zu vermeiden. Penrose glaubt einfach nicht (und der Erfolg scheint ihm recht zu geben), daß man ernsthaft interessierten Laien damit einen Gefallen tut.
Zugegeben: Die „Road to Reality“ ist kein Spaziergang. Nicht nur wegen ihrer mehr als tausend Seiten. Zwar setzt Penrose im Prinzip nur Gymnasialmathematik voraus. Doch auch dem, der damit nie Probleme hatte, blüht hier ein intellektuelles Outdoor-Abenteuer der harten Sorte. Die Straße zur physikalischen Erkenntnis führt nun einmal durch das Reich der mathematischen Strukturen, die für Penrose freilich keine menschlichen Erfindungen sind, sondern mindestens so real wie die Objekte der Physik. Da hält er es ganz mit dem antiken Philosophen Platon.
„Alles wird erklärt“