Relativitätstheorie : Die Schwere des Lichts
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Wie kann Licht denn etwas wiegen?
Dabei machte Einstein die Newtonsche Theorie nicht ungültig, sondern degradierte sie zu einem Spezialfall seiner allgemeinen Relativitätstheorie für schwache Schwerefelder und langsame Bewegungen. Konzeptionell aber hatte sich damit ein ganzes Weltbild nicht bloß verschoben sondern geradezu umgekrempelt. Raum und Zeit waren nun nicht nur relativ, sondern auch durch in ihnen verteilte Materie und Energie verformbar. Statt die feste Bühne des physikalischen Welttheaters zu sein, entpuppten sich Raum und Zeit als Mitspieler in den darin aufgeführten Dramen. Die Frage seit 1915 war nur: Beschrieb die Allgemeine Relativitätstheorie die physikalische Wirklichkeit richtig?
Einstein selbst hatte bereits einige Folgerungen abgeleitet, anhand derer sich seine Theorie von der Newtons empirisch unterscheiden lassen müsste. So verzerrt die Sonne die Raumzeit um sich herum, weswegen Licht dort auf gekrümmten Bahnen läuft. Licht wird also von der Sonne angezogen. Licht ist schwer.
Nach der noch im frühen 20. Jahrhundert vorherrschenden Auffassung konnte das gar nicht sein. Da betrachtete man Licht als Schwingungen in einem das All erfüllenden Medium, dem Äther. Schwingungen aber wiegen nichts – es sei denn, man folgt Einsteins spezieller Relativitätstheorie, der zufolge Energie, also auch Schwingungsenergie, über die Formel E=mc2 mit einer Masse verknüpft ist. Dann ergeben auch die Newtonschen Gleichungen eine Lichtablenkung, allerdings eine um die Hälfte schwächere, als wenn man darüber hinaus auch die Raumkrümmung berücksichtigt. Das galt es also damals empirisch zu entscheiden: Gab es keine Lichtablenkung, lag Einstein offenbar auf ganzer Linie falsch, und der Äther blieb aus Sicht der damaligen Experimentalphysik eine Option. Gab es eine Ablenkung, war die Frage, wie stark sie war.
Was man dafür zu beobachten hatte, steht schon bei Einstein: Steht die Sonne neben einem Stern, krümmt sie den Weg seines Lichts zur Erde, so dass er einem Beobachter dort etwas von der Sonne weggerückt erscheint. Für einen Stern genau am Sonnenrand liefern die Formeln der allgemeine Relativitätstheorie eine Verrückung von etwa 1,75 Bogensekunden. Dieser Wert ist ziemlich klein – etwas weniger als ein Tausendstel dessen, was die Vollmondscheibe am Himmel einnimmt. Überdies werden Sterne bei Tage zumeist von der Sonne überstrahlt – erst recht nahe ihrem Rand. Während einer totalen Sonnenfinsternis aber kann man solche Sterne sehen und ihre von Einstein vorhergesagte Verschiebung durch das Schwerefeld der Sonne mit den astronomischen Techniken des frühen 20. Jahrhunderts messen.
Genau das hatten die beiden britischen Teams Dysons und Eddingtons getan, als sich Ende Mai 1919 eine fast ideale Gelegenheit dazu bot: Die Sonne verfinsterte sich im Sternbild Stier mit seinem hellen Sternhaufen der Hyaden – und obendrein besonders lange: Mehr als fünf Minuten würden mögliche Beobachtungsorte im Kernschatten liegen – allerdings in einer relativ ungünstigen Weltgegend (siehe Karte rechts). Nur wenige Ort dort waren von Expeditionen mit schwerer astronomischer Ausrüstung zu erreichen.
Die Wahl fiel schließlich auf das Städtchen Sobral in Brasilien, das über eine Eisenbahnanbindung zur Küste verfügte, und die Insel Principe im Golf von Guinea. Dyson schickte zwei seiner Mitarbeiter aus Greenwich mit zwei Teleskopen nach Sobral, und aus Cambridge fuhr Eddington persönlich mit einem Teleskop nach Principe. Begleitet wurde er von dem Uhrmacher Edwin Turner Cottingham, denn die beiden Astronomen in Eddingtons Team waren im Ersten Weltkrieg gefallen.