Quantenphysik : Wie schnell ist sofort?
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Bild: Institut für Experimentalphysik, Universität Wien
An der korrelierten Zustandsänderung bestimmter Teilchen ist quantenmechanisch nicht zu rütteln. Würde man ihr eine Geschwindigkeit zur Informationsübertragung zuordnen, sie läge weit über der Lichtgeschwindigkeit, wie nun in einem Experiment bestätigt wurde.
Die sogenannte Verschränkung ist wohl das seltsamste Phänomen der Quantentheorie. Zwei miteinander verschränkte Teilchen verhalten sich stets wie ein siamesisches Zwillingspaar, unabhängig davon, wie weit sie von einander entfernt sind. Bestimmt man durch eine Messung die Eigenschaft eines Teilchens, wird augenblicklich auch der Quantenzustand des Partners festgelegt. Heutzutage sieht man die Verschränkung weitgehend als Essenz der Quantenphysik an.
Albert Einstein und andere Physiker allerdings konnte sich mit dem Phänomen nie richtig anfreunden. Schließlich kann sich gemäß der speziellen Relativitätstheorie nichts schneller ausbreiten als Licht - also auch nicht die Information darüber, was mit einem verschränkten Teilchen augenblicklich geschieht. Einstein sprach deshalb von einer spukhaften Fernwirkung, die zwei verschränkte Teilchen miteinander verbindet. Wissenschaftler von der Universität Genf sind nun der Frage nachgegangen, wie rasch zwei miteinander korrelierte Teilchen Informationen über ihre jeweiligen Zustände austauschen können, falls die Verschränkung durch ein Signal vermittelt würde.
Photonenpaare auf getrennten Wegen
Die Forscher um Nicolas Gisin, die für ihre Freilandversuche bekannt sind, in denen sie die Gültigkeit der Verschränkung auch über große Distanzen hinweg untersucht haben, erzeugten Paare von verschränkten roten Photonen, indem sie in ihrem Labor auf dem Universitätscampus einen blauen Lichtstrahl durch einen speziellen Kristall lenkten. Anschließend schickten sie von jedem Paar ein Photon durch einen Lichtleiter in annähernd entgegengesetzte Richtung. Während das eine Lichtteilchen zum östlich von Genf gelegenen Dorf Jussy flog, eilte das andere Lichtteilchen in westlicher Richtung nach Satigny. Die verschränkten Lichtteilchen legten dabei jeweils gleich lange Wege von 17,5 Kilometern zurück.
An den Zielorten wurde die Verschränkung mit Interferometern überprüft. Das Ergebnis entsprach den Erwartungen. Fast alle aus Genf kommenden Teilchenpaare waren stark miteinander korreliert, wobei sich die Eigenschaft eines Photons an einem Ort unmittelbar änderte, sobald der Zustand des Partner am anderen Ort feststand und umgekehrt. Die Forscher konnten ausschließen, dass die Eigenschaften des einen und des anderen Teilchens schon von Anfang an bekannt waren. Erst durch die Messungen in Jussy und Satigny wurden sie festgelegt.
Gleichzeitig oder sehr viel schneller als Licht?
Die Messungen liefen 24 Stunden lang, während sich die Erde einmal um sich selbst dreht. Damit wollte man den Einfluss eines hypothetischen Bezugssystems mit besonderer räumlicher Orientierung zum Experiment berücksichtigen, in dem sich die Fernwirkung möglicherweise langsamer ausbreitet als in anderen Systemen. Bei einer kompletten Erdrotation hätte sich die Existenz eines solchen Bezugssystems durch charakteristische Fluktuationen in den Messergebnissen zeigen müssen, was jedoch nicht der Fall war.
Anschließend berechneten die Forscher die Geschwindigkeit, mit der die vermeintliche Quantenbotschaft über den geänderten Quantenzustand von einem Ort zum anderen hätte eilen müssen. Sollte eine solche endliche Fernwirkung tatsächlich existieren, so müsste sie sich mindestens zehntausendmal so schnell ausbreiten wie das Licht, berichten die Forscher in der Zeitschrift "Nature" (Bd. 454, S. 861). Dass sich Quanteninformationen mit Überlichtgeschwindigkeit fortpflanzen können, halten die Forscher allerdings für äußerst unwahrscheinlich. Sie sind wie viele ihrer Kollegen vielmehr davon überzeugt, dass sich Verschränkungen tatsächlich gleichzeitig an jedem Ort und zu jedem Zeitpunkt zeigen können, ungeachtet der Gesetze der speziellen Relativitätstheorie. Dadurch wird aber selbst für Spezialisten wie Gisin kaum klarer, wie zwei Teilchen gleichzeitig zu wissen scheinen, was mit dem anderen gerade passiert.