Solare Kernfusion : Botschafter aus dem Zentrum der Sonne
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„Wir mussten die natürliche Hintergrund-Radioaktivität bis zu einem vormals unerreichten Niveau unterdrücken“, sagt Gioacchino Ranucci vom Nationalen Institut für Kernphysik in Mailand. Dazu gehörte nicht nur die jahrelange Reinigung der Szintillator-Flüssigkeit, sondern auch eine aufwendige Abschirmung mit einer Stahlkuppel sowie über 2000 Tonnen hochreinem Wasser, das den Detektor umgibt. Die Forscher haben es auch geschafft, den Detektor thermisch so gut zu stabilisieren, dass in den Flüssigkeiten praktisch keine Konvektion, also keine großräumige Materiebewegung, mehr auftritt. Dadurch gelangen auch kaum noch radioaktive Teilchen von außen nach innen, durch die die gute Handvoll täglich nachzuweisenden Neutrinosignale verrauscht würden. „Diese Messung war nur möglich, weil alle Materialien extrem rein und arm an Radioaktivität sind, und zwar auch alle Komponenten rund um den Szintillator“, erklärt Ranucci.
Der gelungene Nachweis des CNO-Zyklus ergibt sich aus der Analyse jahrelanger Datennahme und markiert einen Meilenstein in der Neutrinoforschung. Denn die Möglichkeit, ein so schwaches Signal von nur rund einem Prozent der solaren Neutrinos messbar zu machen, zeigt Wege auf, wie dieser Forschungszweig sich künftig weiterentwickeln kann. Denn mit deutlich größeren Neutrino-Detektoren sollte sich der Anteil des CNO-Zyklus an der Energieproduktion der Sonne noch wesentlich genauer eingrenzen lassen.
Da dieser Anteil vom Gehalt an Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff im Sonnenzentrum abhängt, wollen Wissenschaftler auf diese Weise auch die Menge dieser Elemente in der Sonne abschätzen. Das ist für die Astrophysik sehr interessant, denn solche Messungen erlauben allgemeine Rückschlüsse über die Entstehung und Entwicklung von Sternen. Vom Anteil an mittelschweren und schweren Elementen hängt außerdem ab, wie durchlässig für Strahlung und Wärme die verschiedenen Schichten eines Sterns sind. Dies ließ sich bislang nur indirekt bestimmen, vor allem mittels spektroskopischer Methoden sowie über großflächige Schallwellen, die sich ähnlich wie Erdbebenwellen über die Sonne ausbreiten. In den vergangenen Jahren haben sich hier widersprüchliche Messungen ergeben, die künftig mit Hilfe der Neutrinos geklärt werden könnten.
Im kosmischen Mittel wird über den CNO-Zyklus sogar mehr Wasserstoff zu Helium fusioniert als über die Proton-Proton-Verschmelzung. Denn auch wenn leichte und mittelschwere Sterne wie Rote Zwerge oder unsere Sonne, bei denen der CNO-Zyklus nur eine kleine Rolle spielt, sehr viel zahlreicher sind als schwere Sterne: Die leichten Sterne verbrennen ihren Vorrat an Wasserstoff langsam über Jahrmilliarden, während die Schwergewichte ihren Brennstoff in kurzer Zeit vor allem über den CNO-Zyklus verheizen, bevor sie dann in einer Supernova explodieren. Ein Schelm, wer dabei an den Umgang der Industrienationen mit den natürlichen Ressourcen auf unserem Planeten denkt.