Kernfusion : Ein Brennen der Hoffnung
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Ein Ofen auf Stufe „Hundert Millionen Grad“: Das Innere des Versuchsreaktors JET. Rechts ist das Bild überlagert mit der Aufnahme des pink glimmenden Fusionsplasmas. Bild: UKAEA
Kernfusionsforscher können einen weiteren wichtigen Fortschritt feiern – diesmal bei der Verschmelzung von Atomkernen in einem von Magnetfeldern gehaltenen Plasma.
Kaum zwei Wochen ist es her, dass Physiker des Laurence Livermore National Laboratory in Kalifornien einen wichtigen Fortschritt auf dem Weg zur Verschmelzung von Atomkernen mittels Laserbeschuss verkündeten. Diese sogenannte Trägheitsfusion ist einer der beiden hauptsächlich verfolgten Ansätze, um die Kernverschmelzung zur Energiegewinnung nutzbar zu machen. Kernfusionsprozesse lassen die Sonne und die meisten Sterne leuchten. Ließen sie sich technisch auf der Erde beherrschen, hätten wir eine saubere, klimaneutrale und praktisch unerschöpfliche Energiequelle.
Heute Nachmittag nun hatte der andere Ansatz zur Verwirklichung dieses Ziels seine große Stunde: die Kernfusion per sogenanntem magnetischen Einschluss. Wissenschaftler des europäischen Versuchsreaktors JET (Joint European Torus) in Culham in der englischen Grafschaft Oxfordshire stellten Resultate aus im vergangenen Jahr angestellten Experimenten vor, auf die sie mehr als ein Jahrzehnt hingearbeitet hatten. In ihrem Reaktor war es gelungen, eine selbsterhaltende Fusionsreaktion zu zünden, die rund fünf Sekunden lang insgesamt 59 Megajoule an Energie produzierte. Damit brach JET seinen eigenen Rekord aus dem Jahr 1997, als in fünf Sekunden 22 Megajoule Fusionsenergie frei wurden.
Nun sind 59 Megajoule der Energieinhalt von etwa 1,7 Litern Benzin. Doch sie wurden durch Verschmelzungsreaktionen in einer eingesetzten Brennstoffmenge von lediglich 200 Mikrogramm eines Gemisches der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium freigesetzt – auch schwerer respektive überschwerer Wasserstoff genannt. Auf die Brennstoffmenge bezogen ist die Verschmelzung von Deuterium und Tritium zu Helium laut Angaben des Eurofusion-Konsortiums, das JETs wissenschaftliches Programm koordiniert, mehr als sechs Millionen mal ergiebiger als die Verbrennung von Erdgas und mehr als vier mal ergiebiger als die Kernspaltung angereicherten Urans.
Und doch ist auch dieser neue Erfolg der Fusionsforschung noch ein ganzes Stück von etwas entfernt, mit dem sich ein wirtschaftliches Kraftwerk betreiben ließe. Denn die 59 Megajoule binnen fünf Sekunden – also eine erzeugte Leistung von grob 10 Megawatt – kamen nur heraus, weil die Wasserstoffisotope als ein mehr als hundert Millionen Grad heißes Plasma vorlagen – die Temperatur im Kern der Sonne bringt es gerade mal auf 15,6 Millionen Grad. Um den Brennstoff derart aufzuheizen, waren 33 Megawatt an Heizleistung erforderlich. Das Verhältnis aus erzeugter und hineingesteckter Energie, der sogenannte Q-Plasma-Wert, lag also etwas über 0,3 und damit kleiner als Eins.
Die Sache mit dem Q-Wert
Um zu beurteilen, wie nah ein Fusionsexperiment einem Kraftwerk ist, muss die erzeugte Energie allerdings zur gesamten aufgewendeten Energie ins Verhältnis gesetzt werden. Da ist dann nicht nur die Heizenergie zu berücksichtigen, sondern auch der Betrieb der gewaltigen Magnetspulen, deren Felder das Plasma von den Innenwänden des Reaktorgefäßes fernhalten – bis hin zum Energieaufwand für die Abtrennung des schweren Wassers aus normalem Wasser. Dieses Verhältnis, der eigentliche Q-Wert, ist bei wissenschaftlichen Fusionsexperimenten nicht immer sinnvoll abzuschätzen, er liegt aber noch um mindestens eine Größenordnung unter dem Q-Plasma-Wert. Nach Angaben des Eurofusion-Konsortiums ist mit einem „break even“, also einem Fusionsreaktor, der wirklich mehr Energie erzeugt als in ihn hineingesteckt werden muss, erst ab einem Q-Plasma-Wert von 10 zu rechnen – ein Faktor 30 über dem, was aktuell erreicht wurde.