Physik-Großprojekt FAIR : Baggern für den Superbeschleuniger
- -Aktualisiert am
Große Geräte für große Projekte: Das GSI-Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt gehört zu den Einrichtungen, die sich an der neuen Forschungsakademie beteiligen. Bild: A. Zschau, GSI
Vor den Toren Darmstadts sind die Bagger und Kräne aufgefahren. Sie bewegen in den kommenden vier Jahren Massen von Erde, Beton und Stahl für ein internationales Megaprojekt.
Der Bau einer der weltweit größten kernphysikalischen Anlagen hat begonnen. Heute rollen die Bagger an, um auf dem 20 Hektar großen Gelände der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) bei Darmstadt ihre Arbeit aufzunehmen. Sie heben Gruben für die unterirdischen Tunnel aus, in denen ein Teil der Teilchenbeschleuniger der „Facility for Antiproton and Ion Research“ (kurz FAIR) Platz finden wird. Viel Zeit bleibt nicht, schließlich soll das internationale Großprojekt im Jahre 2021 seinen vorläufigen Betrieb aufnehmen. Vier Jahre später soll die Anlage ganz fertiggestellt sein.
Wissenschaftler aus aller Welt wollen an FAIR neue Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sich die Materie nach dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren entwickelt hat. Man erhofft sich auch Informationen über Vorgänge, die sich bei Supernovae-Explosionen und im Inneren von Neutronensternen abspielen. Herzstück der Anlage ist ein supraleitender Ringbeschleuniger mit einem Umfang von 1,1 Kilometern, der 17 Meter tief unter der Erde verläuft. Er wird an den bestehenden GSI-Beschleuniger angedockt, der etwa 200 Meter Umfang hat. Ionen und Antiprotonen werden in der Teilchenschleuder auf eine hohe Energie gebracht. Dann prallen die Teilchen auf Folien verschiedener Materialien oder auf biologische Zellproben.
Quarks endlich in Freiheit
Die Physiker wollen beobachten, wie beim Zusammenstoß der Ionen und Antiprotonen mit den Atomkernen des Targetmaterials neue Teilchen und Materieformen entstehen. Daraus hofft man, Rückschlüsse auf die Entwicklungsgeschichte des Universums ziehen zu können.
Beim Aufprall sollen solch extrem hohe Temperaturen erzeugt werden, wie man sie etwa bei Sternexplosionen erwartet. Bei FAIR sollen auch jene seltenen instabile Isotope erzeugt werden, die bei der Synthese der schweren Elemente im Universum eine Schlüsselrolle spielen.
Außerdem will man Materiezustände erzeugen, die man im Inneren von Neutronensternen antrifft. Dabei werden die Kernbausteine, die Neutronen und Protonen, so verdichtet, dass sie sich auflösen. Es entsteht ein sogenanntes Quark-Gluon-Plasma, in dem die darin üblicherweise eingeschlossenen Quarks und Gluonen sich wie freie Teilchen verhalten.
Es wird nichts vergleichbares geben
Für das Bundesforschungsministerium ebnet Fair „den Weg für bahnbrechende Entdeckungen in Astro-, Kern- und Teilchenphysik bis hin zu Material- und Lebenswissenschaften“. Für die Errichtung seien auf der Finanzierungsbasis von 2005 fast 1,3 Milliarden Euro eingeplant.
Der Bund übernimmt 65 Prozent davon, das Land Hessen zehn Prozent. Weitere Mittel steuern die Partnerländer von FAIR Finnland, Frankreich, Indien, Polen, Rumänien, Russland, Schweden und Slowenien bei. Großbritannien ist assoziierter Partner. Das internationale Beschleunigerzentrum soll rund 3000 Forschern aus 50 Ländern zur Verfügung stehen.
FAIRs unsichere Zukunft
Bis es so weit ist, müssen gut zwei Millionen Kubikmeter Erde bewegt und rund 600.000 Kubikmeter Beton verbaut werden. Hinzu kommen 65.000 Tonnen Stahl. Auf der Baustelle sollen bis zu 1000 Menschen beschäftigt werden. „FAIR wird, wenn es fertig gebaut ist, eine der leistungsfähigsten und größten Teilchenbeschleunigeranlagen der Welt sein“, sagt Paolo Giubellino, wissenschaftlicher Direktor von GSI und FAIR. „Es existiert nichts Vergleichbares in der Kernphysik.“ Es gäbe zwar einige Einrichtungen, die auf unterschiedlichen Gebieten konkurrierten. Jede dieser Anlagen konzentriert sich auf einen bestimmten Aspekt. „FAIR wird auf allen diesen Gebieten Spitzenforschung mit zum Teil einzigartigen Möglichkeiten bieten.“
Das Projekt, dessen Pläne bis ins Jahr 2002 zurückreichen, hatte allerdings keinen leichten Start: Verzögerungen, herbe Kritik am Management und eine Kostenexplosion ließen FAIR lange in keinem guten Licht erscheinen. Im Jahr 2014 wurde FAIR finanziell und strukturell neu aufgestellt. Dennoch bestehen nach wie vor Zweifel, ob die Vorgaben eingehalten werden können. So bemängelte der Bundesrechnungshof vor kurzem in einem Bericht die nach wie vor unsichere Finanzierung des Projekts und nahm das Bundesforschungsministerium in die Pflicht, hier für Planungssicherheit zu sorgen. So sei noch immer nicht sicher, ob die Partnerländer die noch nicht gezahlten Mittel rechtzeitig beisteuern werden, um den Bau gemäß dem straffen Zeitplan durchzuführen. Insbesondere sei die Finanzierung von 25 Millionen Euro an Mehrkosten noch nicht geklärt. Es müsse verhindert werden, dass der Bund in die Zwangslage gerät, „zusätzliche Mittel nachschießen zu müssen“. Außerdem wurde die Personalausstattung als zu gering eingestuft.