Glyphosat : Nützliches Gift
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Tonnenweise bringen Landwirte den Wirkstoff Glyphosat auf ihren Feldern aus. Die Verbraucher jedoch sind skeptisch. Bild: Wolfgang Eilmes
Die EU-Kommission will jetzt über eine erneute Zulassung von Glyphosat entscheiden: Fakten und Vermutungen über das umstrittene Herbizid.
1. Wie wirkt Glyphosat?
Glyphosat wurde 1970 von dem Monsanto-Chemiker John Franz synthetisiert, der nach einem Mittel suchte, um kalkhaltiges Wasser „weicher“ zu machen. Er ließ die Aminosäure Glycin mit einem Derivat der Phosphonsäure reagieren, in Tests fiel dann die herbizide Wirkung auf, die auf der Ähnlichkeit des Moleküls mit einem Zwischenprodukt des sogenannten Shikimat-Weges beruht. Diesen Stoffwechselweg nutzen nur Mikroorganismen, Pilze, Algen und sämtliche Grünpflanzen, um die Aminosäuren Tyrosin, Phenylalanin und Tryptophan zu synthetisieren. Glyphosat hungert wachsende Pflanzen quasi aus, weil es ein Enzym blockiert, so sammelt sich Shikimatphosphat an, das nicht verwertet, aber trotzdem weiterhin gebildet wird.
2. Wann und auf welche Weise wird gespritzt?
Glyphosat wird als Isopropylamin-Salz gehandelt. Dessen wässrige Lösung wird großflächig mit Feldspritzen verteilt. Pro Hektar kommen üblicherweise zwischen 0,4 und 2,5 Kilogramm zum Einsatz, die erlaubte Höchstmenge liegt bei 4,3 Kilo pro Jahr. Im Herbst wird das Mittel vier bis sechs Wochen nach der Ernte ausgebracht, um aufkeimende Unkräuter wie das Ackerfuchsschwanzgras oder Weidelgräser zu vernichten, ehe die Aussaat von Winterweizen oder Raps erfolgt. Je nach Wetterlage ist eine spätere Anwendung möglich, solange die neue Kultur noch nicht aufgelaufen ist. Ein dritter Zeitpunkt liegt vor der Ernte im Sommer, wenn es darum geht, mehrjährige Unkräuter wie Quecke, Glatthafer oder Ackerkratzdistel zu bekämpfen. Dass auch Kulturpflanzen betroffen sind, nimmt man in Kauf oder führt eine solche „Sikkation“ gezielt herbei, um früher ernten zu können. Im Obst- und Weinbau wird Glyphosat ganzjährig zwischen den Reihen gespritzt. Ebenso kommt es in Baumschulen und entlang von Bahngleisen zum Einsatz.
3. Verwendung im Garten und Gefährdung von Gewässern
Grundsätzlich darf auch der Hobbygärtner Glyphosat verwenden. Empfohlen wird, einzelne Unkrautexemplare mit dem Pinsel zu bestreichen. Glyphosat wirkt gegen ein- und zweikeimblättrige Pflanzen, aber nicht gegen Giersch und Schachtelhalm. Nicht erlaubt ist der Einsatz auf versiegelten Flächen, weil das Herbizid von da aus in die Kanalisation und über Kläranlagen in die Flüsse gelangen kann. Trotzdem finden sich im Oberflächenwasser mehr oder weniger hohe Konzentrationen, weil sich viele Anwender nicht an die Vorschriften halten.
4. Welche Zusatzstoffe sind enthalten. Und warum?
Dem Glyphosat werden Netzmittel beigemischt, damit das Herbizid die wachsartige Schutzschicht der Pflanzenblättern besser durchdringen kann. In Verruf gerieten vor allem polyethoxylierte Tallowamine, die Studien des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zufolge die Toxizität von Glyphosat verstärken. 2010 waren sieben solcher Mischungen auf dem Markt. Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist die Zulassung für drei davon mittlerweile abgelaufen. Die vier übrigen werden heute ohne Tallowamine hergestellt, dürfen aber weiterhin in der alten Formulierung verkauft werden. Ob sich noch tallowaminhaltige Mittel in der Handelskette befinden, ist dem BVL nicht bekannt. Das Amt darf auch nicht verraten, durch was das Netzmittel ersetzt wurde – Betriebsgeheimnis.
5. Wie lange dauert es, bis Glyphosat abgebaut ist?
Das Herbizid bindet an Metalloxide im Erdreich und wird deshalb nicht einfach ausgewaschen. Im Boden bauen es beispielsweise Pseudomonas-Bakterien zu Aminomethylphosphonsäure ab und letzten Endes zu Kohlenstoffdioxid und Phosphat. Wie schnell das geht, hängt von der Aktivität der Bakterien ab. Die wird wiederum durch Temperatur, Feuchtigkeitsgrad und pH-Wert des Bodens beeinflusst. So wies Glyphosat in Laborversuchen mit feuchtem französischem Lehmboden eine Halbwertszeit von etwa 14 Tagen auf, während Forscher in Iowa 142 Tage maßen. Der Hersteller Monsanto verweist auf eine Metastudie amerikanischer Forscher, die eine durchschnittliche Halbwertszeit von 32 Tagen errechneten.