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Brennendes Fusionsplasma : Die künstliche Sonne im Laserlabor

Gewaltigen Energiemengen werden in der winzigen Brennstoffkapsel deponiert. Jetzt ist erstmals durch die fusionierten Wasserstoffkerne ein Energieüberschuss erzeugt worden. Bild: National Ignition Facility, Berkeley

Die kontrollierte Kernfusion gilt als ein Weg, Energie klimaschonend und in großen Mengen zu gewinnen. An der National Ignition Facility in Livermore ist man dem Ziel jetzt einen großen Schritt näher gekommen.

          3 Min.

          Seit Jahrzehnten haben die Physiker einen Traum: Durch die Verschmelzung vom Wasserstoffkernen, ein kontrolliertes Sonnenfeuer auf der Erde zu entfachen. Gelingt das Vorhaben, dann stünde – so die Vorstellung – eine schier unerschöpfliche Energiequelle zur Verfügung. Eine internationale Forschergruppe hat am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) unweit von San Francisco nun einen großen Fortschritt in der Fusionsforschung erzielt. Wie Alex Zylstra und seine Kollegen in „Nature“  berichten, ist es gelungen, ein Gemisch der schweren Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium zu zünden und am Brennen zu halten. Dabei wurde mehr Energie frei, als man zuvor im Brennstoff deponiert hatte.

          Manfred Lindinger
          Redakteur im Ressort „Natur und Wissenschaft“.

          Fusionsprozesse sind die Energiequelle des Leuchtens der Sonne und der meisten anderen Sterne. Um sie kontrolliert auf der Erde ablaufen zu lassen, werden verschiedene Ansätze verfolgt: Anlagen wie der „Joint European Torus“ (JET) im britischen Culham oder der in Südfrankreich noch im Aufbau befindliche „International Thermonuclear Experimental Reactor“, kurz ITER, arbeiten mit einem magnetischen Einschluss der Brennstoffe: Sie werden in einem Vakuumgefäß als heißes Plasma von starken Magnetfeldern zusammengehalten. Durch Zufuhr von Energie wird die Temperatur und die Dichte des Plasmas soweit erhöht, bis die Bedingungen für die Kernverschmelzung vorliegen.

          Bei der sogenannten Trägheitsfusion dagegen, wie sie die National Ignition Facility am LLNL erforscht, bestrahlt man eine erbsengroße Kapsel mit eingelagertem Deuterium und Tritium für kurze Zeit mit 192 Strahlen aus einem Höchstleistungslaser. Bei einem solchen Laserpuls werden ein Druck von rund 100 Milliarden Bar und zuletzt eine Temperatur von 100 Millionen Grad in einem kleinen Volumenbereich erreicht – im Zentrum der Sonne herrschen gerade einmal 15 Millionen Grad. Unter diesen Bedingungen wird das Plasma so heiß und dicht, dass die Wasserstoffkerne darin fusionieren.

          Der lange Weg zur Zündung

          Doch hat es sich in der Vergangenheit als äußerst schwierig erwiesen, die vielen Laserstrahlen hinreichend exakt auf ihr Ziel zu auszurichten, um dort ein gleichmäßiges Strahlungsfeld zu erzeugen. Im Jahr 2014 gelang es dann erstmals, Deuterium- und Tritiumkerne zu fusionieren. Doch nach wie vor gab es zu viele technische Probleme und nur ein geringer Teil der eingestrahlten Laserenergie konnte genutzt werden. In den darauffolgenden Jahren gelang es, die Versuchsanordnung zu verbessern und die Verluste zu verringern.  

          Die Maßnahmen reichten allerdings noch immer nicht zur Zündung des Fusionsfeuers. Dazu muss die bei der Verschmelzung der Atomkerne freigesetzte Energie größer sein, als die zugeführte. Dieser Schritt ist den Forschern der National Ignition Facility an Anfang des vergangenen Jahres offenkundig gelungen. In einem von vier Experimenten ist eine Energie von 170 Kilojoule freigesetzt worden – das ist etwa zehn Mal soviel wie zuvor dem Brennstoff zugeführt wurde.

          Dabei konnten die Forscher um Alex Zylstra vom LLNL ein brennendes Plasma erzeugen. In diesem Zustand laufen so viele Fusionsprozesse ab, dass die Energie der Heliumkerne, die bei der Verschmelzung der Wasserstoffkerne erzeugt werden, ausreicht, um die Temperatur des Plasmas aufrechtzuerhalten und das Fusionsfeuer für eine Zeit am Brennen zu halten. Wie lang das Feuer gebrannt, darüber machen die Forscher allerdings keine Angaben. Sie dürfte schwierig zu bestimmen sein, da der Laser die Kammer mit der Brennstoffkapsel bei jedem Puls unwiederbringlich zerstört.

          Ist damit der Weg frei, die Fusion endlich als Energiequelle zu nutzen? So bald noch nicht. Denn bei den aktuellen Experimenten geht zu viel Energie verloren. Von den 1,9 Megajoule Energie, die der Hochleistungslaser der National Ignition Facility bei jedem Puls freisetzt, kommt nach wie vor nur ein kleiner Teil beim Brennstoff an. Der Betrieb des Lasers selbst verbraucht insgesamt sogar 400 Megajoule pro Puls.  Ein Lichtblick sind die Ergebnisse die im August 2021, ein halbes vor der aktuellen Veröffentlichung erzielt worden sind.

          Nach weiteren Verbesserungen konnten  erstmals 70 Prozent der zugeführten Laserenergie in der Kapsel mit dem eingeschlossenen Brennstoff deponiert werden. Es wurden 1,3 Megajoule für einen kurzen Augenblick freigesetzt – ein Rekordwert auf dem Gebiet der Trägheitsfusion.

          Wird es in Livermore gelingen, die Ausbeute weiter zu steigen? Dann könnte mit der Trägheitsfusion ein weiteres Verfahren zur Verfügung stehen, mit dem sich eine Energiequelle bauen ließe, die aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnt.

          Die nähere Zukunft der Kernfusion wird, da sind sich  viele Fusionsforscher sicher, eher Anlagen wie der ITER gehören. Wenn alles optimal läuft, wird dort erstmals in gut zehn Jahren ein Fusionsfeuer brennen. Ist das erreicht, könnte ITER den Weg für Fusions-Kraftwerke bereiten, die ab Mitte des Jahrhunderts jede Menge Strom zu günstigen Konditionen liefern – wie es die Träume verheißen.

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