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Nutztier : Mehr Huhn war nie

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Gallus gallus domesticus stammt vom asiatischen Bankivahuhn ab und ist zum häufigsten Haus- und Nutztier überhaupt geworden. Bild: dpa

Hühner hält der Mensch erst seit relativ kurzer Zeit. Dafür umso intensiver. Gut zwanzig Milliarden sind es heute. Eine Erfolgsgeschichte auf Umwegen.

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          Hahnenkämpfe kommen bei Wilhelm Busch nirgends vor. Der Gedanke daran lag dem Dichter fern, als er seiner „Bubengeschichte“ drei Gründe für die Haltung des lieben Federviehs voranstellte. Hahnenkämpfe sind heute zwar in den meisten Ländern illegal, aber auf den Kanaren dürfen sie ebenso wie in Mexiko in eigens erbauten Arenen stattfinden. Auf Bali sind sie als religiöse Tradition geduldet, und zu den Höhepunkten dürfte der World Slasher Cup auf den Philippinen zählen. Den konnte Anfang des Jahres ein Hahn namens Sebastian mit 8,5 Punkten für sich entscheiden. Der Champion ließ immerhin mehr als dreihundert Konkurrenten hinter sich.

          Das muss man weder gutheißen noch wie Tausende Fans lauthals bejubeln, nur sollte man nicht völlig vergessen, dass wohl seine kämpferischen Eigenschaften unserem Haushuhn den Weg in die Ställe bereitet haben. Viel mehr als kross gebratene „Chicken Wings“, das fluffige Omelette, Broiler vom Grill oder buntgefärbte Ostereier waren nämlich einst stolze Hähne gefragt. „Man hielt Hühner vermutlich zunächst aus kulturellen und spirituellen Gründen, und auch Hahnenkämpfe könnten eine Rolle gespielt haben. Wie aktiv die Beziehung anfangs zwischen Mensch und Hühnern war, lässt sich schwer bestimmen, doch ihre Rolle als Proteinquelle war vermutlich zweitrangig“, sagt Greger Larson, Direktor des Palaeogenomic & Bio-Archaeology Research Network an der Universität in Oxford. Zumal es einst deutlich kleinere Vögel gewesen seien, mit wenig Fleisch auf den Knochen. Eier legten sie natürlich auch noch nicht rund ums Jahr.

          Kraft, Potenz und Fruchtbarkeit

          Dass den Tieren dennoch früh Großes zugetraut wurde, davon zeugt beispielsweise, dass man in China aktuell das Jahr des mächtigen Feuer-Hahns feiert. Vielen Religionen und Kulturen waren Hühner heilig oder sind es noch immer; selbst in Schöpfungsmythen tauchen sie auf. Hahn oder Henne (oder die Eier) symbolisieren Kraft, Potenz und Fruchtbarkeit. Man verschenkte und opferte sie, aus ihren Knochen wurde die Zukunft gelesen, ihr Verhalten prophezeite den Ausgang römischer Schlachten. Das Christentum setzte Metallgockel als Wetterfahnen auf die Kirchendächer, um an die Verleugnung des Petrus („ehe der Hahn kräht . . .“) zu erinnern. Floskeln zeugen aber auch von uncharmanten Assoziationen, wenn man wie ein kopfloses Huhn herumrennt, und in der Schweiz bekommen Ängstliche keine Gänse-, sondern eine Hühnerhaut.

          Gemeinsam mit Kollegen versucht Larson nun in einem über mehrere Jahre angelegten Forschungsprojekt, kulturelle und wissenschaftliche Aspekte dieser besonderen Beziehung zu klären. Gerade in den letzten fünfzig bis hundert Jahren hat sie gewaltige Dimensionen angenommen. Weltweit werden heute mehr als zwanzig Milliarden Hühner gehalten. Dabei ist die Verbindung zwischen Mensch und Huhn bei weitem noch nicht so alt wie zum Beispiel jene zum Hund oder zur Kuh: Hühner werden womöglich erst seit rund fünftausend Jahren gezüchtet.

          Wie der Mensch auf das Huhn gekommen ist

          Über die Anfänge der Domestizierung – wann und wo, in Zentral-, Ost- oder Südostasien, eher am Indus, am Jangtsekiang, am Gelben Fluss oder an mehreren Orten zugleich? – streiten Forscher noch. Unter anderem weil Geflügelknochen aus archäologischen Fundstätten nicht immer richtig interpretiert, datiert und eingeordnet wurden. Nicht jedes vermeintlich domestizierte Hühnchen war tatsächlich schon zahm oder überhaupt ein Huhn. „Je näher die Verwandtschaft, desto leichter sind die Vögel morphologisch zu verwechseln, zumal es evolutionäre Prozesse sind, die Form und Größe der Skelette verändern, gerade mit Blick auf die Domestizierung“, erklärt Larson, der mit einer aktuellen Studie die Ursprünge in Asien genauer erforscht. Dafür werden weitere Aspekte miteinbezogen, nicht nur die knöchernen Überreste und Schalen, auch das Klima ist beispielsweise wichtig.

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