Kein veganer Hype
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Unwiderstehlich sind Ballaststoffe für die Ernährungsbranche sowieso: Über Optimierungsstrategien
Wissenschaftlich beurkundet ist die heilsame Wirkung pflanzenfaserreicher Lebensmittel schon gut ein halbes Jahrhundert. Aber so richtig spannend wird es erst jetzt. Denn was gut ist, kann durch Optimierungsstrategien noch besser werden. Und die laufen. In der Industrie, in der Medizin, der Wissenschaft, der Pflanzenzucht, ja sogar unter Hundehaltern. Avocados statt Pansen, „antiinflammatorische“ Hundenahrung, sprich: entzündungshemmendes Fressen mit hohem Faseranteil für die Vierbeiner, das wird ausgerechnet im El Dorado der Fleischverkoster, nämlich in den USA hochwissenschaftlich beworben. Vegetarismus oder Veganertum spielen bei dem gesteigerten Interesse vermutlich eine Rolle – wie überall, wo diese Trends Fuß fassen, aber nicht sie alleine verantwortlich. Die Forschung selbst wird zum Treiber für Innovation. Denn in dem halben Jahrhundert hat sich wie überall in der wissenschaftlichen Medizin quasi mit den molekularen und digitalen Technikrevolutionen eine Idee festgesetzt, die sich unter Stichworten wie „personalisiert“ oder „individualisiert“ auch in der Ernährung etabliert.
Maßgeschneiderte Ballaststroffrezepturen wäre da so ein Ansatz. Und damit rücken die von vielen immer noch als marginales, gar als grünes Gedöns abgetanen Pflanzenfasern immer mehr in den Fokus einer gerne hochtrabend als Präzisionsmedizin bezeichneten Entwicklung. Lässt sich das also machen: eine evidenzbasierte Ballastrevolution? Steckt im Speisebrei die große Chance auf weniger Krankheit und ein längeres Leben? Die Idee jedenfalls floriert kulturübergreifend: Die Chinesen forcieren die Darmmikroben-Forschung seit Jahren energisch, ihre mit Gen- und Bioanalytik gespeisten Maschinenparks beschleunigen die Zucht neuer Kohlsorten beispielsweise, in denen auch die Vielfalt nützlicher Pflanzenfasern erhöht werden sollen. Vielfalt war bisher ein entscheidender Teil des Ballaststoffkonzepts. Das liegt auch daran, dass die Forschung nicht nur Lücken hat, wie die großteils unverdaulichen Moleküle direkt oder indirekt über die Mikroflora den medizinischen Nutzen mehren, sondern ist auch dadurch bedingt, dass es bisher nur ein diffuses Bild darüber gibt, welche Anteile der Fasern die gesundheitsfördernden Effekte forcieren. Bisher wird die Ernährungsforschung von Studien dominiert, in denen mit handelsüblichen Mahlzeiten gearbeitet wird und nicht mit Einzelballastoffen. Unberücksichtigt bleibt dabei fast immer auch die Ernährungsvorgeschichte der Testpersonen, ihre genetische und phasiologische Individualiät. Vor der Optimierung steht also das Aufdröseln. Es geht um die Details. Ein interessantes Beispiel dafür lieferte eine von der Zeitschrift mBio der amerikanischen Mikrobiologen-Gesellschaft herausgebrachten Untersuchung über den Zusammenhang von ballaststoffreicher Nahrung und der Verbreitung von antibiotikaresisten Keimen in der Bevölkerung.
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