Strandgeologie : In jedem Sandkorn eine Welt
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Es lohnt sich, genauer hinzusehen, wie hier auf Sandörner von einem Strand der Bermudas Bild: www.sandgrains.comGary Greenberg
Sommer, Sonne und ein Handtuch - mehr brauchen die meisten nicht für den Strand. Wer sich dort aber näher umsieht, entdeckt einen ganzen Kosmos voller Merkwürdigkeiten. Die Sandforschung hat viele seltsame Phänomene und manche Einsichten zu bieten.
Wenn sich Michael Welland an die schönsten Stunden in seinem Leben als Geologe erinnert, dann stiehlt sich in seine Stimme das Echo eines kleinen Jungen, der von seiner Sandburg am Strand berichtet. Welland erzählt von einem Tag in Ägyptens großem Sandmeer, der "Weißen Wüste". Wie das Wispern des Wüstenwindes dort allmählich zu einem Brüllen anschwoll, wie der Himmel verschwand und dann nichts mehr da war als der mächtige, tosende Sand. "Dieser Sturm war ein Monster", sagt Welland. "Und ich hatte das Glück, ihm zu begegnen."
Welland, ehemaliger Universitätsdozent und heute Besitzer einer Beratungsfirma für Gesteinsfragen in London, ist nicht nur von allem begeistert, was mit Sand zu tun hat. Er hat auch Sinn für Poesie: "Der Moment, in dem das Tosen endet, ist unvergleichlich", sagt er. "Die ganze Welt wird dann neu geboren, ganz rein, ganz klar, eine neue Schöpfung."
Die Welt der Körnchen
Es war wohl dieser Moment, als in Welland der Entschluss keimte, dem Phänomen Sand auf den Grund zu gehen. Er trat damit in die Fußstapfen seines Landsmannes Ralph Bagnold, eines Offiziers und Forschers, der auf ausgedehnten Wüstenexpeditionen praktisch im Alleingang die Grundlagen der Dünenforschung geschaffen hatte; sein Standardwerk "The Physics of Blown Sand and Desert Dunes" von 1941 inspiriert heute noch jeden, der sich dem Thema nähert.
"In den Wüsten der Welt wurden schon ganze Religionssysteme geboren", sagt Welland, "da sollte es für eine kleine Idee auch noch reichen." Jedenfalls begann er nach seiner Epiphanie mit der Arbeit an einem Buch, das jetzt endlich bei Oxford University Press erschienen ist. Es entführt in die Welt der unverwüstlichen Körnchen, die sich schon seit der Entstehung unseres Planeten in einem ewigen Zyklus der Wiedergeburt befinden, aus der Erdkruste heraus, in die Erdkruste hinein, als hätte ihre Zeit weder Anfang noch Ende.
Miniaturauszug der umgebenden Gebirge
Wie wäre es zur Einstimmung mit einem Strandspaziergang? Sheringham Beach, an Mittelenglands sandigem Ostzipfel gelegen: Wir bücken uns und greifen beherzt in das rieselnde Konglomerat zu unseren Füßen. Das ist zweifellos Sand. Aber was ist Sand? "Sand ist nichts weiter als eine Frage der Größe", sagt Welland. Alle körnigen Materialien, die größer sind als Staub und kleiner als Kieselsteine, kann man als Sand bezeichnen. Also alles zwischen 0,065 und 2 Millimetern. Es gibt auch eine Definition, die die Schwere der Körnchen berücksichtigt: Sand ist demnach das, was ein mittlerer Wüstenwind nicht mehr forttragen, aber noch ein wenig auf dem Boden umherschubsen kann.
Der Sand in unserer Hand macht, aus der Nähe betrachtet, ganz schnell klar, warum es nicht das Material selbst sein kann, wor- in sich Sand von anderen Stoffen unterscheidet. Die Körnchen sind eine Miniaturausgabe der umgebenden Gebirge, ein buntes Sammelsurium aus den unterschiedlichsten mineralischen Bröckchen. "Sandkörner sind die Zeugen der Zerbrechlichkeit von Bergen", sagt Welland. "Die Witterung nagt unerbittlich an Felsen. Auch der härteste ist immer gerade dabei, zu zerbröseln."