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Naturkosmetik : Keine Rose ohne Dornen

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Sehr hübsch und unter Verdacht, in Kosmetika Allergien zu befördern: Eichenmoos

Sehr hübsch und unter Verdacht, in Kosmetika Allergien zu befördern: Eichenmoos Bild: Lyondelion

Dass Naturstoffe im Gegensatz zu synthetischen Produkten unbedenklich sind, ist eine merkwürdige und dennoch verbreitete Vorstellung. Abgesehen davon, dass es immer auf die Dosierung ankommt.

          6 Min.

          Einige Dinge ändern sich auch in Krisenzeiten nicht. So schwören Millionen Deutsche auf Salben und Lidschatten, die nicht vom Erdöl abstammen, sondern deren Zutaten auf Wiesen und Feldern wachsen. Jedes Jahr wächst der Markt für Naturkosmetik um rund zehn Prozent, 613 Millionen Euro wurden 2008 mit Lotionen und Lippenstiften aus dem Grünen gescheffelt. In jedem fünften Haushalt schminkt, duscht oder cremt man sich mit den Gaben von Mutter Natur. Natürlich ist gut, besser als künstlich - das leuchtet vielen Menschen ein.

          Doch Natürliches kann gefährlich sein, sehr sogar. Vor allem ätherische Öle aus Blüten, Blättern oder Rinde fallen Ärzten und Toxikologen seit einigen Jahren negativ auf. Für mehr als 80 dieser Düfte wurden Allergien beschrieben. Meldungen über Unverträglichkeiten reißen nicht ab: Kosmetikerinnen berichten von Händen, die von rotem Hautausschlag entstellt sind, und Verbraucher von Pusteln an Hals und Nacken nach der Haarwäsche.

          Duftallergien

          Schätzungen zufolge leiden zwischen 800 000 und 1,6 Millionen Deutsche unter Allergien gegen Duftstoffe - gegen synthetische, aber auch gegen natürliche. Genaue Zahlen gibt es nicht. Diese Lücke will Peter Elsner, Dermatologe und Klinikdirektor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, nun in einem internationalen Projekt schließen, das im Rahmen der Forschungsvereinigung "European Dermato-Epidemiology Network" (EDEN) durchgeführt wird.

          "Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass etliche Menschen unbemerkt ihre Haut mit Wohlgerüchen reizen, sagt Elsner. Alarmierend sind jedenfalls schon jetzt die Befunde des Informationsverbundes Dermatologischer Kliniken (IVDK) in Göttingen, der Mitteilungen über Hautbeschwerden aus 54 Kliniken zusammenträgt. Die Zahl der Duftstoffallergiker hängt unmittelbar von der Menge an insgesamt verkauften ätherischen Ölen ab, bemerkte Leiter Axel Schnuch bei seiner Zwischenbilanz im vergangenen Jahr. "Je mehr ätherische Öle in Umlauf sind, desto mehr Personen reagieren allergisch auf den ,Duftstoffmix 1', eine Standardmischung verschiedener Düfte, die routinemäßig für einen Allergietest verwendet wird", sagt er.

          Diesen Zusammenhang erklärt Schnuch so: Die Naturdüfte durchdringen - anders als einige synthetische Duftstoffe - mühelos den Fettschutzmantel der Haut. Einmal im Gewebe angelangt, können einzelne Substanzen unter Dutzenden von Inhaltsstoffen das Immunsystem fehlleiten. Problematisch sind vor allem Terpene, harzig riechende Stoffe, die in allen ätherischen Ölen vorkommen. Sie machen Teebaumöl ebenso zur allergieauslösenden Tinktur wie den süßen Duft des asiatischen Ylang-Ylang-Baumes. Der Körper bildet spezifische Antikörper gegen ein oder zwei Terpene, und als Zeuge des inneren Kampfes zwischen Duftkomponente und Körperabwehr verwandelt sich die Haut in eine hässliche Marslandschaft. Sie juckt, nässt manchmal oder platzt sogar ab.

          Duftstoffe im Test

          Die Naturdüfte tauchen zwar auch in konventioneller Kosmetik, in Ölen, Parfums und Gesichtslotionen auf. Aber besonders häufig sind sie in grünen Schönheitsmitteln anzutreffen. Denn durch den Verzicht auf synthetische Duftstoffe bieten ätherische Öle den Naturkosmetikherstellern die einzige Möglichkeit für gezielten Wohlgeruch. "Die Wahrscheinlichkeit, dass in ätherischen Ölen ein einzelner bedenklicher Stoff enthalten ist, ist groß, weil sich jede Blütenessenz aus vielen Dutzend Einzelkomponenten zusammensetzt", sagt Thomas Platzek, Toxikologe am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin. Die Substanz Limonen kann beispielsweise Allergien auslösen und steckt in vielen Pflanzendüften, angefangen von Orange, Zitrone und Bergamotte bis zu Latschenkiefer und Tanne. Bei künstlichen Düften ist jeder der Inhaltsstoffe bekannt, das Bouquet setzt sich meist aus wenigen, gezielt ausgewählten zusammen.

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