Sorge um den Nachwuchs : Ein Krake in Rekordlaune
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Weibliche Kraken opfern sich für ihren Nachwuchs auf Bild: dpa
Ein Krake-Weibchen bewachte mehr als vier Jahre lang ihr Gelege. Dabei nahm sie keine Nahrung zu sich. Alles nur für den Nachwuchs – damit dieser gut heranwachsen kann.
Krakenweibchen sind fürsorgliche Mütter. Geduldig halten sie bei ihrem Gelege Wache, bis der Nachwuchs geschlüpft ist. Einen Kraken, der 53 Monate lang ausharrte, hat Bruce Robison vom Monterey Bay Aquarium Research Institute in Moss Landing (Kalifornien) in einer Meerestiefe von 1397 Metern vor der kalifornischen Küste beobachtet. Gemeinsam mit Brad Seibel von der University of Rhode Island in Kingston und Jeffrey Drazen von der University of Hawaii in Honolulu hatte er einen Tauchroboter („Remotely Operated Vehicle“) in eine Schlucht tief unter dem Meeresspiegel geschickt.
Dort entdeckte er einen Kraken der Spezies Graneledone boreopacifica, der sich langsam, aber zielstrebig einem markanten Felsen näherte. Einen Monat später fand er den Kopffüßer - anhand charakteristischer Narben leicht wiederzuerkennen – am Felsen festgeklammert. Unter den aufwärts gekrümmten Krakenarmen lugten dicht an dicht sitzende Eier hervor, wie Robison und seine Kollegen in der Online-Zeitschrift „Plos One“ berichten.
Wissenschaftler beobachten Kraken
Neugierig geworden, besuchten die drei Forscher das Tier immer wieder mit ihrem Tauchroboter. Erst nach viereinhalb Jahren war es verschwunden. Zugleich zeugten leere Eihüllen davon, dass die Jungen geschlüpft waren. Dass die Mutter nach dem Schlüpfen der Jungen stirbt, ist bei Kraken allgemein üblich. Gewöhnlich vergehen aber nur ein bis drei Monate, bis der Nachwuchs aus dem Ei krabbelt. Dass es bei dem Kraken in der Tiefsee so viel länger dauerte, lässt sich zum einen mit der Wassertemperatur erklären, die dort nur drei Grad Celsius beträgt. Kälte verlangsamt bekanntlich den Stoffwechsel und verzögert die Embryonalentwicklung entsprechend.
Zum anderen wächst diese Art von Kraken im Ei zu stattlicherer Größe heran als alle anderen Artverwandten, deren früheste Jugendstadien bekannt sind. Was die Überlebenschancen der jungen Kopffüßer nach dem Schlüpfen verbessert, verlängert die Zeit, in der sie noch nicht mobil sind und mütterlichen Schutz beanspruchen.
Hungern für den Nachwuchs
Mehrfach filmten die Wissenschaftler, wie das Krakenweibchen mit seinen Armen zudringliche Krebstiere abwehrte. Es versuchte jedoch nie, sich eine vorwitzige Krabbe zu schnappen, und verschmähte auch die mundgerechten Häppchen, die ihm die Forscher anboten. Womöglich nahm das Krakenweibchen keinen einzigen Bissen zu sich, während es seinen Nachwuchs bewachte. Dass der jahrelange Wächterdienst an die Substanz ging, war offensichtlich: Allmählich schrumpfte der ganze Körper, die Augen trübten sich, und die Haut wurde schlaff.
An Ausdauer übertraf der Krake aus der Tiefsee bei Monterey bei weitem den bisherigen Rekordhalter im gesamten Tierreich: Im Labor hatte ein Krake aus arktischen Gewässern 14 Monate lang über sein Gelege gewacht. Von den Tieren, die ihren Sprösslingen Schutz im Mutterleib bieten, nimmt sich übrigens der Alpensalamander am meisten Zeit. Wenn dieser kleine schwarze Salamander im Hochgebirge lebt, kann es nach der Befruchtung der Eier vier Jahre dauern, bis die Jungen zur Welt kommen. Mindestens zwei Jahre – länger als die Schwangerschaft von Elefanten – dauert es auch in tieferen Lagen mit einem nicht gar so rauhen Klima.