Generationenvertrag : Vorwärts zur Natur
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An nationalstaatlichen Grnezen machen die Effekte nicht halt, die über unsere Zukunft auf diesem Planeten mitentscheiden. Bild: Nasa
Wir steuern frontal auf die Brandmauern des planetarischen Systems zu. Doch es gibt Alternativen zum fossilnuklearen Komplex: Gedanken über einen Gesellschaftsvertrag für das 21. Jahrhundert.
Mahatma Gandhi wurde einmal gefragt, was er von der abendländischen Kultur ("western civilization") halte. Die große Seele Indiens sann kurz nach und antwortete lächelnd: "Ich meine, das wäre eine gute Idee!" Was bedeutete diese Replik damals, und welche Botschaft könnte sie heute, nach den Techno-Katastrophen von Deepwater Horizon und Fukushima, enthalten? Dazu möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Sie handelt von der Vergangenheit und der Zukunft der Industriegesellschaft, und es lohnt sich, sie bis zum Schluss zu verfolgen.
Europäische Zeitgenossen Gandhis mussten seine Antwort als ironische Provokation eines übermächtigen zivilisatorischen Regimes deuten. Denn waren es nicht die Nationen des Westens, angeführt von den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, welche die Welt des frühen 20. Jahrhunderts militärisch, politisch, wirtschaftlich und kulturell beherrschten? Jedenfalls gemessen an der Zahl der Panzerkreuzer, der demokratischen Körperschaften, der vollautomatisierten Produktionsstätten sowie der Museen, Theater und Opernhäuser. Zu Kolonien und Protektoraten gebeugt dagegen einstige Giganten wie China, Indien und Persien.
Wie konnte es geschehen, dass Europa und seine nordamerikanischen Tochtergesellschaften den Planeten in passende Erbhöfe aufteilten, herrschend über alles tote und lebende Inventar? Die Gründe für diese historische Ungeheuerlichkeit sind vielfältig, doch ein Faktor dominiert alle anderen: die Industrielle Revolution. Als um das Jahr 1785 in einem Fabrikgebäude der englischen Stadt Manchester zum ersten Male eine mechanische Spinnmaschine mit einer thermodynamischen Dampfmaschine vermählt wurde, explodierte ein technisches Pulverfass.
Ungleiche Verteilung
Im Funkenregen der Folgeinnovationen wurde der Stoffwechsel der modernen Zivilisation erschaffen, immer schneller angetrieben von einem schwarzen Mineral, das man dem Bauch der Erde entriss. Die massive Nutzung der Kohle ist das Alleinstellungsmerkmal, welches das schwerindustrielle Zeitalter in Europa und damit die Weltherrschaft "des Westens" hervorgebracht hat. Damit präsentiert sich die bislang bedeutendste Wendung der Menschheitsgeschichte als Resultat jener geochemischen Laune der Natur, Sonnenlicht von Abermillionen von Jahren in fossilen Friedhöfen organischen Materials zu verdichten und aufzubewahren. Unter unseren Füßen schlummern ausgedehnte Energiewälder (eine Metapher von H. P. Sieferle), an die wir nur die Axt anzulegen brauchen.
Leider hat die Natur die lebenswichtigen Ressourcen (fruchtbare Böden, Süßwasser etc.) und insbesondere die zugänglichen fossilen Energieträger nicht homogen über den Planeten gestreut - ganz im Gegenteil. Bei den Stein- und Braunkohlevorkommen sind die nationalen Unterschiede noch erträglich. Diese Brennstoffe finden sich in vielen Teilen der Welt und oft in einem Umfang, der die regionale Versorgung noch für Jahrhunderte sicherstellen könnte. Aber zum Lebenssaft der Industriegesellschaft ist längst das Erdöl geworden. Sein Siegeszug begann mit der Entscheidung des damaligen "Ersten Lords der Admiralität", Winston Churchill, die britische Kriegsflotte am Vorabend des Ersten Weltkriegs auf Flüssigtreibstoff umzustellen.