Flusspferde : Von wegen nur Gras
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Der Hippo-Bulle und das arme Gnu: Dieses Bild ging um die Welt. Bild: ©Uwe Skrzypczak
Sie galten bislang nicht als Fleischfresser. Einem deutschen Fotografen gelangen aber Bilder eines jagenden Flusspferds. Nur ein Einzelfall?
Vegetarier mögen stille Qualen leiden, wenn sie die jetzt im Internet veröffentlichten Aufnahmen des deutschen Wildtierfotografen Uwe Skrzypczak zu Gesicht bekommen. Zeigen sie doch ein Flusspferd, das, ungeachtet dessen, dass seine Art zu den Pflanzenfressern gehört, Jagd auf zwei arme Gnu-Kälber macht, sie tötet und zum Teil verspeist.
Skrzypczak selbst war nicht minder irritiert, als ihm der jagende Bulle vor die Linse kam. „Ich dachte zunächst, die Flusspferde würden wie üblich nur ihr Revier verteidigen, und war dann sehr erstaunt, als sie zwei Kälber erbeuteten und zerfetzten“, beschreibt Skrzypczak seine Beobachtungen im März. Er war damals in der Masai Mara, einem Naturschutzgebiet Kenias, das für seinen Tierreichtum berühmt ist, auf Foto-Safari gewesen. Was nun wie ein kurioser Einzelfall erscheint, könnte vielleicht die Regel sein: Ergänzen eingefleischte Herbivoren ihren Speiseplan von Zeit zu Zeit mit tierischer Nahrung?
Kadaver sind nicht nur für Fleischfresser interessant
Tatsächlich ist es in Afrika nicht ungewöhnlich, neben Löwen oder Geparden auch Giraffen und Antilopen an Tierkadavern anzutreffen. Im Gegensatz zu den Raubtieren seien Letztere aber wohl nicht in erster Linie am Fleisch der verendeten Tiere interessiert, vermutet Giacomo D’Ammando, der an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg das Verhalten afrikanischer Säugetiere erforscht: „Die Tiere nutzen den Kadaver als natürliche Kalziumquelle. Dazu kauen sie auf den übriggeblieben Knochen herum.“ Bei Flusspferden wiederum, vor deren Aggressivität sich nicht nur Urlauber fürchten, stelle sich der Fall anders dar. So fasste ein internationales Wissenschaftlerteam um Joseph Dudley von der University of Alaska in Fairbanks kürzlich im Fachmagazin Mammal Review alle Berichte zusammen, in denen Flusspferde bei der Fleischaufnahme beobachtet worden waren. Obwohl sich die Kolosse hauptsächlich von Gräsern ernähren, legen die Ergebnisse nahe, dass es sich keineswegs um ein anormales Verhalten einzelner Individuen handelt, wenn Fleisch statt Grünzeug vertilgt wird.
Im gesamten ost- und südafrikanischen Verbreitungsgebiet wurden die Tiere dabei gesehen wie sie - häufig sogar in Gruppen - an den Überresten von Impalas, Elefanten, Gnus und Zebras fraßen, die zuvor von Raubtieren, etwa Krokodilen, aber auch von den Flusspferden selbst getötet worden waren. Auch schreckten die Hippos, die zu den Paarhufern zählen, nicht vor dem Verzehr verstorbener Artgenossen zurück. Die Zoologen vermuten, dass dieses Verhalten einer der Hauptgründe für die ungewöhnliche Häufung von Milzbrandinfektionen unter Flusspferden sei.
Milzbrand wird durch Bacillus anthracis ausgelöst. Die Krankheit kann nahezu alle Säugetiere einschließlich des Menschen befallen. Unter großen Pflanzenfressern und Huftieren ist sie jedoch besonders verbreitet; in Afrika sind vor allem Antilopen, Elefanten und Flusspferde betroffen. Die Tiere nehmen die Bakterien meist über die Haut, die Atemwege oder durch verseuchte Futterpflanzen auf. Flusspferde stecken sich darüber hinaus an, wenn sie tote Artgenossen fressen, die an Milzbrand verendet sind.
Auch im Zoo können Flusspferde ihren Mitbewohnern gefährlich werden
In Gefangenschaft werden Flusspferde allerdings nur selten beim Fleischverzehr ertappt. Dabei hätten sie durchaus Gelegenheit dazu: In vielen Zoos leben sie mit anderen Tierarten zusammen. In Berlin beispielsweise teilen sich fünf Flusspferde ihre Anlage mit einer Gruppe von Niala-Antilopen. „Es kommt aber nicht vor, dass die Flusspferde die Antilopen jagen. Eher werden sie mal von dem Bock der Niala-Herde gepiesackt“, erzählt Zoodirektor Ragnar Kühne. Die gemeinsame Haltung unterschiedlicher Arten - Flusspferde eingeschlossen - hält auch Adrian Baumeyer, Kurator des Zoos in Basel, für sinnvoll. Die Interaktion mit anderen Spezies bereichere den Alltag der Zootiere und erlaube eine bessere Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Fläche.