Evolution : Das Farbenspiel des Rüsselkäfers
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Rüsselkäfer Eupholus magnificus Bild: Ainsley Seago
Photonische Kristalle in den Schuppen des Chitinpanzers sorgen bei den Insekten für einzigartige Lichteffekte.
Farbstoffe sind zwar die naheliegendste Möglichkeit, das Leben bunt zu gestalten. Aber nicht nur der Pfau verdankt sein prächtiges Outfit hauptsächlich sogenannten Strukturfarben. Von speziellen Mikrostrukturen hervorgerufen, faszinieren solche Farben oft durch metallischen Glanz. Außerdem haben sie den Vorteil, dass sie nicht ausbleichen, manchmal sogar über Jahrmillionen intakt bleiben. Das belegen zum Beispiel buntschillernde Käferfossilien aus der Ölschiefergrube Messel bei Darmstadt. Käfer halten bislang auch das Monopol für photonische Kristalle. Peter Vukusic und Roy Sambles von der University of Exeter haben sie vor zehn Jahren in den winzigen Schuppen entdeckt, mit denen sich Rüsselkäfer - ähnlich wie Schmetterlinge - einzukleiden pflegen. In diesen Schuppen aus Chitin sind Nanostrukturen, die den Weg von Lichtwellen beeinflussen, in dreidimensionalen Mustern angeordnet, ähnlich wie die Atome oder Molekülen in einem Kristallgitter.
Auf optischen Irrwege im Panzer
Der Chitinpanzer der meisten Insekten glänzt mit Hilfe von Strukturfarben, ohne dass photonische Kristalle beteiligt sind. Manche Käfer lassen das Licht auf hauchdünne Rillen fallen, die dann als Beugungsgitter wirken. Am häufigsten arbeiten Insekten jedoch mit Stapeln von hauchdünnen Plättchen, die Licht reflektieren. Die Lichtwellen überlagern sich dann derart, dass bestimmte Wellenlängen ausgelöscht werden. Welche das sind, hängt davon ab, in welchem Winkel das Licht einfällt. Je nach Blickwinkel ergeben sich deshalb unterschiedliche Farbtöne. Die photonischen Kristalle der Rüsselkäfer sind in jeder einzelnen Schuppe vielseitig aufgestellt. Dadurch erscheint ihr Farbton aus jedem Blickwinkel gleich, was für Warnfarben ebenso nützlich sein kann wie für Tarnfarben.
Rüsselkäfer zum Röntgen
In der Evolution der Rüsselkäfer - von denen viele wie Kornkäfer und Haselnussbohrer eher trist gefärbt sind - scheinen photonische Kristalle nur ein einziges Mal entstanden zu sein, sich dann aber vielfältig entwickelt zu haben. Dieses Fazit präsentierte Ainsley Seago von der Australian National Insect Collection in Canberra kürzlich auf der Jahrestagung der Evolutionsbiologen „Evolution 2013“ in Snowbird, Utah. Wie die Zeitschrift „Science“ (Bd. 341, S. 120) berichtet, nahmen Seago und ihre Kollegen 64 Arten aus der großen Familie der Rüsselkäfer genauer unter die Lupe. Zunächst studierten sie die mehr oder minder farbenfrohen Schuppen ihrer Forschungsobjekte unter dem Raster-Elektronenmikroskop und unterzogen die photonischen Kristalle zusätzlich einer Röntgenstrukturanalyse. Um die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den verschiedenartigen Rüsselkäfern zu klären, verwendeten sie Verfahren der Molekulargenetik.
Der so erstellte Stammbaum zeigt, dass einige urtümliche Sprösslinge der Rüsselkäferfamilie mutmaßliche Vorläufer der photonischen Kristalle mit sich herumtragen: Manche ihrer Schuppen enthalten ein schwammartiges Chitingerüst, das Licht in alle Richtungen streut und dadurch weiße Flecken erzeugt. Mit derartigen Sprenkeln sind Käfer, die im Erdreich oder in vermoderndem Holz leben, wahrscheinlich gut getarnt. Echte photonische Kristalle finden sich jedoch nur in einem jüngeren Zweig der Familie, den Dickmaulrüsslern (Otiorhynchinae). Als sie auf grüne Pflanzen umstiegen, war neue Tarnkleidung gefragt. In ihren Schuppen bildeten sich allmählich wohlgeordnete Strukturen heraus, deren Arrangement dem Kristallgitter von Diamanten ähnelte. Passend zum neuen Ambiente lieferten diese Kristalle aus Chitin leuchtende Grüntöne, wie sie heutzutage zum Beispiel für Blattnager (Gattung Phyllobius) typisch sind.
Mit der Zeit entwickelten sich weitere Varianten der Kristallstruktur, die den Rüsselkäfern neue ökologische Nischen eröffnet haben. Wie die photonischen Kristalle in den Käferschuppen entstehen, während das Tier noch in seiner Puppenhülle steckt, ist bislang ein Rätsel. Womöglich, so vermutet Seago, stellen die lebenden Zellen der heranwachsenden Schuppen passend platzierte Membranen bereit, die als Baugerüst dienen. Von einschlägigen Untersuchungen verspricht sich Seago künftig Einblicke in die biologischen Werkstätten für photonische Kristalle. Angesichts prächtig bunter Rüsselkäfer hat sie aber noch weitere Projekte im Sinn. Wenn der Entstehungsprozess in den Käferschuppen bekannt ist, so hofft sie, lassen sich eines Tages vielleicht auch künstlich solche Kristalle herstellen: umweltfreundlich, biologisch abbaubar - und trotzdem mit einer exquisit leuchtenden Farbpalette.