Einwandernde Arten : Die Kannibalen unter den Käfern leben riskant
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Asiatischer Marienkäfer Bild: dpa
Der asiatische Harlekin-Marienkäfer verdrängt immer mehr Arten, die in Deutschland heimisch sind. Forscher entschlüsseln nun seine Form der biologischen Kriegsführung.
Der aus Asien stammende Harlekin-Marienkäfer breitet sich mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit über den ganzen Globus aus und verdrängt immer mehr einheimische Arten aus ihren angestammten Habitaten. Auch in Deutschland befürchten Naturschützer, dass von den mehr als achtzig einheimischen Marienkäfer-Arten bald nicht mehr viel übrig sein wird. Andreas Vilcinskas von der Universität Gießen und dem Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie und seine Kollegen haben jetzt herausgefunden, was den Eindringling so erfolgreich macht. Sein unerhörtes Durchsetzungsvermögen basiert auf biologischer Kriegsführung und funktioniert nur deshalb so gut, weil sich Marienkäfer gegenseitig fressen.
Der Harlekin-Käfer birgt in seiner Körperflüssigkeit einen einzelligen Parasiten im Ruhezustand, der sich dort geringfügig vermehrt und der ihm nicht schadet. Die einheimischen Marienkäfer-Arten haben dem Parasiten nichts entgegenzusetzen. „Jede Mahlzeit wird ihnen zur Henkersmahlzeit“, erklärt Vilcinskas. „Fressen einheimische Marienkäfer die Eier oder Larven des Harlekin-Käfers werden sie anschließend von dem Parasit zugrunde gerichtet, weil sie - anders als der asiatische Eindringling - keine Immunität besitzen. Umgekehrt können sich die Harlekin-Käfer an den einheimischen Marienkäfern schadlos halten.“ Veröffentlicht wurde dieses Ergebnis in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Science“ (doi: 10.1126/science.1234032).
Keinerlei Resistenzen
In einem begleitenden Kommentar vergleicht Stuart Reynolds von der Universität Bath die ungleiche immunologische Ausstattung des asiatischen Eindringlings und der angestammten Marienkäfer-Arten mit den Verhältnissen bei der Eroberung des amerikanischen Kontinents. Seinerzeit brachten die spanischen Eroberer Krankheiten in die neue Welt, gegen die die einheimische Bevölkerung keinerlei Resistenzen besaß. Annähernd neunzig Prozent der Ureinwohner starben damals an Pocken, Masern, Grippe und anderen Erkrankungen, mit denen sich die Europäer schon lange immunologisch auseinandergesetzt hatten, denen das Immunsystem der Ureinwohner aber noch nie begegnet war. Auch der Harlekin-Käfer verfügt über Resistenzen, die den anderen Marienkäfern fehlen. Deshalb wird der vor einigen Jahrzehnten als Nützling für die biologische Schädlingsbekämpfung nach Europa und Amerika eingeführte Harlekin-Käfer zur globalen Gefahr für die biologische Vielfalt. Er vernichtet zwar zuverlässig Hunderte von Blattläusen täglich und wird in dieser Rolle geschätzt, bedroht aber gleichzeitig auch die angestammten Marienkäfer-Arten in den unterschiedlichen Habitaten der Welt.
Was ist das für ein Parasit, der den Harlekin-Käfer zum erfolgreichen Eroberer macht? Vilcinskas und seine Kollegen haben herausgefunden, dass es sich um pilzähnliche Mikrosporidien handelt, die zur Gattung Nosema gehören. In der Körperhöhle des Harlekin-Käfers lagern sie als inaktive Sporen. Im Darm eines einheimischen Marienkäfers schleudern die Sporen ihren im Innern aufgewickelten Polfaden hervor und verschaffen sich dadurch Zutritt zu den Darmzellen, in denen sie sich die Mikrosporidien dann vermehren.
Wein wird bitter
Die Wissenschaftler um Vilcinskas und Heiko Vogel vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena interessieren sich nun dafür, wie der Harlekin-Käfer die Parasiten in Schach hält. Als möglicher Hemmschuh kommt eine massenhaft produzierte Substanz mit dem Namen Harmonin in Frage. Dieses Alkaloid verdankt seinen Namen der lateinischen Bezeichnung für den Harlekin-Käfer - Harmonia axyridis. „Die Konzentration an Harmonin in seiner Körperflüssigkeit ist höher als unsere Blutzuckerkonzentration“, erklärt Vilcinskas. „Warum sollte der Harlekin-Käfer solche Mengen synthetisieren, wenn nicht aus einem gewichtigen Grund? Wir glauben, dass er das Harmonin dazu benutzt, die Reproduktion der Mikrosporidien auf einem so geringen Niveau zu halten, dass sie für ihn ungefährlich sind.“ Allerdings kommen auch noch andere Substanzen als Hemmschuh in Frage. Der Harlekin-Käfer produziert über fünfzig verschiedene antimikrobielle Peptide. „Das macht ihn zum Rekordhalter“, sagt Vilcinskas. „Wir kennen kein anderes Tier, das so viele antimikrobielle Peptide produziert wie der Harlekin-Käfer.“
Der asiatische Eindringling bedroht aber nicht nur die biologische Vielfalt unter den Marienkäfern. Er kann auch wirtschaftlichen Schaden anrichten. Anders als die einheimischen Arten vergreift er sich an Pflanzen, wenn ihm keine weichen Insekten oder Insekteneier zur Verfügung stehen. Eine beliebte Ersatznahrung ist die Traube. Im Herbst weicht er deshalb gerne in die Weinberge aus. Gelangen Harlekin-Käfer in die Maische, verderben sie mit ihren bitteren Alkaloiden und antimikrobiellen Peptiden den Geschmack des Weins. Ein Harlekin-Käfer genügt, um hundert bis tausend Liter Wein zu ruinieren.