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Artenschwund : Das Ende des Hummelflugs

  • -Aktualisiert am

Manche mögen es lieber kühl: Der Klimawandel setzt den Hummeln zu. Bild: Dorling Kindersley

Das Verschwinden der Bienen wird seit längerem beklagt. Nun zeigt sich, dass noch andere Bestäuber leiden.

          4 Min.

          Wie eine Zukunft ohne Hummeln aussehen könnte, ließ sich vor 150 Jahren bereits in Neuseeland beobachten. Nicht nur, dass britische Einwanderer die puscheligen Brummer in der neuen Heimat vergeblich suchten. Das Fehlen dieser Insekten wurde für die Farmer zum praktischen Problem: Der bei ihrem Vieh beliebte Rotklee ließ sich auf der anderen Seite des Globus schlicht nicht vermehren. Stattdessen mussten die Futterpflanzen für teures Geld über den Ozean geschifft werden. Vielleicht seien die einheimischen Bienen und Schmetterlinge nicht in der Lage, die Pflanzen zu bestäuben, vermutete 1869 ein Hobbybiologe. Hier seien Spezialisten wie die Hummeln gefragt. Dank zweier Schiffsladungen mit Königinnen im Winterschlaf ist das Problem in Neuseeland inzwischen behoben. Das berichtet Dave Goulson in seiner kurzen Geschichte der Hummeln „Und sie fliegt doch“.

          Sollten Jeremy T. Kerr von der kanadischen University of Ottawa und seine Forscherkollegen recht haben, könnten dem europäischen und nordamerikanischen Vieh bald ähnlich magere Jahre bevorstehen. Auf beiden Kontinenten, so legen die Biologen jetzt in „Science“ dar, wird es langsam eng für die Hummeln. Weil es immer wärmer wird und das Wetter unberechenbarer, sind die von den Wissenschaftlern untersuchten Hummelarten aus einem 300 Kilometer breiten Streifen im Süden der kontinentalen Verbreitungsgebiete inzwischen verschwunden. Es war ihnen schlicht zu heiß geworden. Zwar wandern auch andere Tiere auf der Suche nach den bevorzugten klimatischen Bedingungen in Richtung Norden. Das Besorgniserregende bei den Hummeln sei jedoch, sagt der Leiter der Abteilung für Makroökologie und Naturschutz in Ottawa, „dass wir bei den Hummeln eine ähnliche Flucht nicht beobachten. Die Tiere verschwinden einfach nur, ohne dass sie im Norden zunehmen.“ Statt sich entsprechend zu verschieben, so haben die Wissenschaftler aus den Daten von fast 420.000 Beobachtungen aus den letzten hundert Jahren berechnet, sind die Hummel-Siedlungsgebiete geschrumpft.

          Ursachen des Verschwindens

          Es ist nicht so, dass die Tiere nicht schon vorher Anlass zur Sorge geboten hätten. Insektenforscher sehen die Pummelchen schon seit längerem immer weniger werden. Ähnlich den eng verwandten Bienen in ihrer Familie der Apidae. „Nur dass die Situation bei den Hummeln noch dramatischer ist. Bei manchen Arten geht es um alles oder nichts“, erklärt Bienenforscher Jürgen Tautz vom Biozentrum der Universität Würzburg. Einige der weltweit 250 Spezies, von denen etwa dreißig in Deutschland vorkommen, seien inzwischen in weiten Landstrichen überhaupt nicht mehr zu finden.

          Für das Verschwinden der beiden staatenbildenden Insekten finden sich ähnliche Erklärungen. Ein Grund ist etwa der inzwischen stark eingeschränkte Speiseplan: Der deutschen Waldhummel und der Veränderlichen Hummel fehlen zum Beispiel die Lieblingslieferanten für Pollen und Nektar wie Rotklee, Ackerbohne und Luzerne. Die bunte Vielfalt auf Wiesen und Äckern ist vielerorts der Eintönigkeit der modernen Landwirtschaft gewichen. Andere bedrohte Arten wie die Wiesen- oder die Ackerhummel vermissen wiederum die ungemähten Weiden oder die Mäuselöcher, Maulwurfshügel und Spalten auf ungepflügten Flächen, um darin ihre Nester zu bauen. Parasiten und Krankheiten, denen die geschwächten Tiere leichter zum Opfer fallen, verschlechtern die Situation laut Tautz noch zusätzlich. Mit regelrechten Killer-Erregern, wie dem Deformed-Wing-Virus, stecken sich Bienen und Hummeln sogar gegenseitig an. „Und sicherlich spielen auch Pestizide und Insektizide eine Rolle“, sagt der Biologe.

          Mangel an Widerstandskräften

          Gerade die Hummeln reagieren besonders sensibel auf solche Gefahren. Als Wissenschaftler kürzlich das Genom der europäischen Erdhummel (Bombus terrestris) entschlüsselten, staunten sie über das wenig variable immunologische Genrepertoire; selbst eine Fliege hat doppelt so viele Immun-Gene wie die gestreiften Brummer in Orange-Schwarz-Weiß. Auch die Zahl der Erbinformationen, welche die Entgiftung regeln, sind bei der Hummel vergleichsweise knapp bemessen. Kein Wunder, dass die Tiere zum Beispiel das bei Imkern besonders verrufene Insektizid Neonikotinoid noch schlechter vertragen als Bienen.

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