Temperatur und Wirtschaft : Das Mittelmeerklima ist ein Verlustgeschäft
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Der stark beschleunigte Klimawandel ist ein Risikofaktor, auch und gerade ökonomisch betrachtet. Bild: dpa
Die Weltwirtschaft kühlt ab? Von wegen: Sie droht mit dem Klimawandel massiv zu überhitzen und bis 2100 ungeahnte Verluste zu produzieren. Nichtstun in der Klimapolitik würde so noch teurer als gedacht.
Wenn kein Ingenieurswunder geschieht und auch die Erwärmung des Planeten sich fortsetzt wie bisher, könnte es die reichen Länder teurer zu stehen kommen bisher als gedacht – und die armen im Süden noch viel, viel mehr. Lord Sterns berühmter Satz, wonach Nichtstun auf lange Sicht deutlich teurer wird als schnelles Handeln, hat sich in einer neuen Berechnung, die auf Grundlage eines „Integrated Assessment Model“ von Erdsystemforschern der Stanford-Universität zusammen mit Ökonomen der University of California in Berkeley vorgenommen wurde, mehr als bestätigt. Mehr noch: Die Welt bewegt sich, je weiter sie sich von dem gegenwärtigen Klima entfernt, in quasi unkalkulierbare ökonomische Risiken.
Nichtlinearitäten, also böse Überraschungen, lauern. Marshall Burke, Umweltökonom aus Stanford, hat mit seinem Team Wirtschaftsdaten aus 166 Ländern der Erde zwischen 1960 und 2010 ausgewertet und in „Nature“ publiziert. Die Forscher hatten sich die Frage gestellt, was makroökonomisch - aufs Ganze gesehen – die Reparatur und der Wiederaufbau von klimabedingt unbrauchbar gewordenen oder zerstörten Wirtschaftsgütern kosten würde. Das erste, was auffiel, war eine Art Temperaturoptimimum der Weltwirtschaft. Das liegt bei etwa 13 Grad Jahresmitteltemperatur. Alles, was davon abweicht wirkt sich, ob Agrar- oder Industrieland, negativ auf die Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes aus – im statistischen Mittel, wohlgemerkt. Mittelmeerklima mag, so gesehen, eine Wohlfühlperspektive sein, volkswirtschaftlich betrachtet ist es ein Verlustgeschäft. Die schon heute armen Südländer, Entwicklungsländer in erster Linie, die wirtschaftlich ohnehin das Schlusslicht bilden, seien künftig ökonomisch noch stärker gefährdet als die reichen Länder in den gemäßigten Klimazonen.
Von einer geradlinigen Entwicklung kann allerdings zumindest vorerst keine Rede sein, und zwar umso weniger, je kleiner die betrachtete Region. Kurzfristig könnte die stark beschleunigte Erwärmung in vielen Ländern sogar durchaus zu einem Produktivitätsanstieg führen, die ungünstigen Folgen für die Wasserversorgung und Extremwettereinflüsse dürften jedoch auf lange Sicht nach hinten losgehen. Es gibt, so das entscheidende Fazit, mit dem die Forscher grundsätzlich von vielen anderen einfacheren Wirtschaftsmodellen abweichen, keinen direkten, engen Zusammenhang zwischen Temperatur und Wirtschaftskraft. Jedenfalls nicht in den wohlhabenden dominanten Industrieländern des Nordens. Diese nicht linearen Effekte zwischen Temperatur und Wirtschaftsleistung greifen offenbar umso stärker, je ausgeprägter der Klimawandel ausfällt.
Im Ergebnis aber führt der ungebremste Temperaturanstieg zu stetigen, quasi linearen Verlusten. Bis zum Jahr 2100 könnten sich die globalen Einkommensverluste im statistischen Mittel auf 23 Prozent belaufen – nach diesen Berechnungen deutlich mehr, als das in allen bisher publizierten Modellen herausgekommen war. Der schwedische Ökonom Thomas Sterner von der Göteborg-Universität hält sowohl die Datenbasis als auch die Algorithmen des Burke’schen Modells für realitätsnäher als alles, was bisher an Computermodellen zur Verfügung stand, allerdings gelten die Zahlen nur für den Fall, dass tatsächlich auch in den nächsten Jahrzehnten kaum mehr Anpassungsmaßnahmen als bisher schon getroffen werden – eine Prämisse, die durchaus fragwürdig ist. Allein schon die Züchtung neuer, trocken- und wärmeresistenter Kultursorten – Reis, Weizen oder Mais – hat das Potential, die Ergebnisse massiv zu verändern. Auch für Sterne bleibt es trotzdem dabei: Die „sozialen Kosten des Klimawandels“ müssten nun massiv heraufgesetzt werden, „um mehrere hundert Prozent“.