Lebenserwartung : Mit Jura beißt man früh ins Gras
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Länger leben oder Jura studieren? Bild: ZB - Fotoreport
Entscheidet das Studienfach nicht nur darüber, was man wird, sondern auch, wann man stirbt?
In der aktuellen Ausgabe des Journal of the Royal Society of Medicine stellt Peter McCarron vom epidemiologischen Institut der nordirischen Queens-Universität die Ergebnisse einer ungewöhnlichen Studie vor. Demnach haben Geisteswissenschafts- und Jurastudenten eine geringere Lebenserwartung als Studenten der Naturwissenschaften oder der Medizin.
McCarron standen Daten von mehr als 10.000 Akademikern zur Verfügung. Von 1948 bis 1968 bot die Universität von Glasgow ihren Studenten eine medizinische Untersuchung an. Anhand des Sterberegisters hat der Epidemiologe nun verfolgt, wer inzwischen gestorben ist. Schon dabei hätten sich interessante Zusammenhänge gezeigt: Ehemals dicke Studenten sterben demnach eher an Krebs als dünne, und wie alt die Akademiker werden, hängt stark damit zusammen, wie viele Zigaretten sie während ihres Studiums täglich geraucht haben.
Studienfach, nicht Beruf berücksichtigt
"Wir dachten, es wäre aufschlußreich, als nächstes zu schauen, welches Studienfach zu einer kürzeren Lebenserwartung führt", sagt McCarron. Es sei die erste Studie, die das Studienfach, nicht den späteren Beruf berücksichtige. Da zwar 939 Männer, aber weniger als zweihundert Frauen gestorben sind, bezog der Epidemiologe nur männliche Kandidaten in die Analyse ein.
Daß er unter den früh verstorbenen ehemaligen Glasgower Studenten verhältnismäßig viele Geisteswissenschaftler und Juristen fand, erklärt sich McCarron zum einen damit, daß geisteswissenschaftliche Absolventen häufiger schlecht bezahlte oder unsichere Jobs finden. Die Juristen dagegen starben gehäuft an Lungenkrebs und Herzinfarkt, da sie zu Studentenzeiten am stärksten geraucht und später nicht damit aufgehört hätten. Mediziner rauchten zwar fast genauso stark, hätten dem Qualm aber eher abgeschworen. Allerdings starben sie häufiger als die anderen Akademiker an alkoholbedingten Erkrankungen.
Aufwand ist erheblich
Welche Akademiker früher sterben als andere, dazu gibt es noch eine Reihe weiterer Untersuchungen. Das Bundesamt für Statistik der Schweiz beispielsweise wertete vor sechs Jahren die Daten von 77.318 Menschen aus, die von 1979 bis 1983 starben, darunter waren 4.162 Akademiker. Dabei hatten etwa Geistliche, Ingenieure, Ärzte und Lehrer eine höhere Lebenserwartung als die übrige Bevölkerung - Chemiker, Journalisten, Künstler und Psychologen hingegen eine niedrigere. "Eine neue Studie haben wir nicht mehr durchgeführt, da der Aufwand erheblich war", erklärt Matthias Bopp vom Züricher Institut für Sozialmedizin.
In England und Wales vermerken die Ärzte auf dem Totenschein neben der Todesursache auch den letzten Beruf. Seit 1851 werden diese beiden Angaben für alle Verstorbenen verglichen und die Ergebnisse alle zehn Jahre veröffentlicht.
Wer woran stirbt
Nach dem letzten Bericht sterben etwa Ärzte - ähnlich wie bei der Studie von McCarron - überdurchschnittlich häufig an den Folgen von Alkohol. Außerdem begehen sie - wie Zahnärzte, Tiermediziner und Pharmazeuten - häufiger als andere Berufsgruppen Selbstmord. Englische und walisische Lehrer sterben dagegen gehäuft an Krebs. Geistliche werden überdurchschnittlich oft Opfer von Verkehrsunfällen. Als Grund hierfür geben die Autoren an, daß die Pastoren häufig unterwegs sind, um Gemeindemitglieder zu besuchen.
In Deutschland hingegen lassen sich keine Aussagen für die Gesamtbevölkerung treffen. Die Ärzte geben auf dem Totenschein zwar die Ursache an, nicht aber den Beruf. Aus Gründen des Datenschutzes dürfen die Statistiker hierzulande auch nicht die Angaben des Totenscheines mit anderen Erhebungen verknüpfen, um zu rekonstruieren, wer früher welchen Beruf ausgeübt hat. Für Akademiker gibt es immerhin einen kleinen Trost: Neuere Untersuchungen des Bremer Zentrums für Sozialpolitik zeigen, daß deutsche Akademiker im Durchschnitt etwa acht bis zehn Jahre länger leben als geringqualifizierte Arbeiter.