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Langzeitfolgen der Ölförderung : Mehr Erdbeben in Trump-Land

In den Vereinigten Staaten wurden zuletzt immer mehr Ölpumpen installiert. Bild: dpa

Öl raus, verpresstes Schmutzwasser rein: Die künstlichen Beben, die sich in den Vereinigten Staaten mit dem Boom neuer Brunnen häufen, wird das amerikanische Volk länger beschäftigen, als ihm lieb ist.

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          Im amerikanischen Mittleren Westen wird Präsident Donald Trump gefeiert wie kaum irgendwo sonst im Land, und die Wähler in der Provinz wurden auch schon kräftig dafür belohnt: mit immer mehr Erdöl- und Gasförderanlagen. Der schon vor Trump begonnene Öl- und Gasboom, der die Energieunabhängigkeit des Landes sichern soll, hat immer größere Dimensionen erreicht. Doch wie immer bei solchen Industriebooms, wenn man nicht genau hinsieht oder nicht mehr so genau hinsehen soll, so wie die amerikanische Umweltbehörde seit Trumps Amtsübernahme, lässt die Rechnung nicht lange auf sich warten. Denn noch immer ist die Ölförderung an Land kein harmloses Sandkastenspiel.

          Joachim Müller-Jung
          Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

          Die Umwelt- und Gesundheitsprobleme, die das Ausbeuten der fossilen Brennstoffreserven verursachen, sind zwar andere als etwa die der  Gewinnung für Lithium-Ionenbatterien, aber grundsätzlich nicht weniger fatal. Denn aus den Bohrlöchern kommt nicht nur das „schwarze Gold“, sondern eben oft auch jede Menge solereiches Produktionswasser aus den unterirdischen Lagerstätten, das mit jeder Menge Industriechemikalien, Salzen und Schwermetallen angereichert sein kann. Dieses Produktionswasser wird großteils rückverpresst, wie das fachmännisch heißt – in einem tiefen Brunnen wird das Produktionswasser zurück in tiefere Gesteinsformationen gepresst. Tausende, im südlichen Texas sind es sogar Zehntausende solcher Brunnen.

          Der Druck in der Tiefe steigt

          Und genau da hakt es offenbar immer mehr: Nicht nur die Gefahr der Grundwasserverseuchung ist allgegenwärtig, es kann auch die Erde beben. Seit Jahren gibt es aus Oklahoma und Kansas immer mehr Berichte über Erdbeben, wenn auch meist kleinere. Die Hoffnung und Erwartung der Betroffenen wie auch der Industrie war es immer, dass dies ein vorübergehendes und auch kleines Problem bleibt – gleich, wie viele neue Bohrstellen erkundet und gegraben werden. In der Zeitschrift „Nature Communications“ ist jetzt allerdings eine eher beunruhigende geologische Analyse veröffentlicht worden. Forscher der University of Colorado in Boulder haben sich ein Ölfeld in Oklahoma vorgenommen und die Wirkung des mehrere Kilometer tief unter die Erde gepressten Produktionswassers durch anschließende Modellberechnungen ermittelt. Ihr Fazit: Das inzwischen an mehr als einem halben Dutzend Ölfeldern registrierte Erdbebenrisiko in der Umgebung der Ölquellen ist alles andere als ein Artefakt. Sie reichen viel tiefer und dauern viel länger an als bislang gedacht. Demnach ist bei dem derzeitigen  Ölförderboom tatsächlich mit geologischen Langzeitfolgen zu rechnen, die bislang noch keiner so richtig auf der Rechnung hatte.

            

          Das mit hohem Druck in tiefere Gesteinsschichten gepumpte Produktionswasser staut sich bis unterhalb des Injektionsbrunnens, also deutlich unter acht Kilometer Tiefe. Der Druck des gepressten Wassers baut sich bis dahin regelrecht auf, und verteilt sich auch in der Umgebung. Auf diese Weise entstehen unerwartet hohe Drücke, die nach den Berechnungen der Forscher auch noch zehn und mehr Jahre nach der Injektion das Potential besitzen, Beben auszulösen. Entscheidend für die Ausbreitung, die Stärke des jeweiligen Bebens und vor allem auch die Langzeitwirkung ist der Aufbau der geologischen Formationen, aber auch die Zusammensetzung des Produktionswassers: je salzreicher und zähflüssiger wie in Oklahoma – und je stärker verunreinigt –, desto größer das Risiko starker Tiefenbeben. Für die Bewohner in den Boomtowns der neuen Erdölzentren sind das keine guten Nachrichten.  

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