Zweifel an Reproduktionsmedizinern : Zu viele Retortenbabys?
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Im Labor: Injektion eines Spermiums in eine menschliche Eizelle Bild: dpa
Wird viel zu rasch und zu oft künstlich befruchtet - obwohl man den Paaren einfach mehr Zeit lassen müsste? Diesen Vorwurf an die eigene Zunft äußern jetzt Mediziner im britischen Ärzteblatt.
Obwohl die künstliche Befruchtung als die medizinische Erfolgsgeschichte des 20. Jahrhunderts gilt, stellen jetzt Wissenschaftler aus mehreren Ländern die schiere Zahl der Zeugungen im Labor in Frage. Esme I. Kamphuis vom Zentrum für Reproduktionsmedizin der Universität in Amsterdam fragt im Namen der Evidence Based IVF-Gruppe in der aktuellen Ausgabe des „British Medical Journal“, ob die In-Vitro-Fertilisation ungerechtfertigt zu häufig zum Einsatz komme.
Eizellen der Frau und Samenzellen des Mannes in der Petrischale zusammenzubringen entsprang eigentlich dem Wunsch, bestimmte Formen von Unfruchtbarkeit zu therapieren: Waren die Eileiter der Frau verklebt und undurchlässig – etwa in Folge von Entzündungen – war eine Befruchtung auf natürlichem Weg unmöglich, denn die Spermien konnten nicht zur Eizelle gelangen. Aber während beispielsweise in den Vereinigten Staaten die jährlichen Behandlungszyklen mittels künstlicher Befruchtung von 90.000 im Jahr 2000 auf 150.000 im Jahr 2010 anstiegen, fiel in diesem Zeitraum die Zahl der Diagnosen aufgrund von Erkrankungen der Eileiter von 25 auf 18 Prozent. Ähnliche Entwicklungen verzeichnen auch europäische Länder.
Allzu rasche Behandlung
Immer öfter, so monieren die Autoren, würden Paare mit unerfülltem Kinderwunsch allzu rasch invasiv behandelt, obwohl sie womöglich gute Chancen hätten, schwanger zu werden, wenn man ihnen mehr Zeit gäbe. Vor allem angesichts der drohenden Gesundheitsrisiken für die Retortenkinder – darunter Fehlbildungen, Schwierigkeiten während der Geburt und wohl auch Stoffwechselerkrankungen in späteren Jahren – müsste der Einsatz von Fertilitätsmaßnahmen besser als bisher begründet werden.